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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ist.«
    »Dafür bin ich doch nicht verantwortlich.«
    Audrey wünschte, er würde sie ansehen, wenn er mit ihr sprach, statt unablässig um den verflixten Tisch herumzumarschieren und mit zusammengekniffenen Augen auf dieses Gewimmel von Bällen hinunterzustarren wie ein General, der über einem Schlachtplan brütete. »Aber«, sagte sie und stellte sich so, dass sie ihm fast die Sicht versperrte, »ist sie nicht die beste Freundin eurer Bibliothekarin?«
    »Dana, hm. Sie leben zusammen, glaube ich. Ich meine, sie teilen sich eine Wohnung, nicht etwa   …« Er stieß den weißen Spielball an, der grüne Ball rollte langsam in Richtung zur Tasche und blieb kurz vor ihr liegen, ohne ihm den Gefallen zu tun, darin zu verschwinden.
    »Nicht etwa was, Andrew?«
    Seufzend richtete er sich auf und griff nach der Kreide. »Ich meine, sie sind nicht – wie sagt man gleich noch mal? – schwul.«
    »Ach, was? Und woher willst du das wissen?«
    »Na, das merkt man doch.«
    »Findest du? Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass es so einfach ist. Gerade heutzutage.«
    »Dana mag Männer, viel zu sehr. Du kennst sie doch, du weißt, wie sie sich kleidet. Am Weihnachtsabend zum Beispiel, viel nacktes Fleisch und kaum ein Fetzchen Stoff.«
    »Andrew, ich glaube nicht, dass alle Lesben mit Herrenschnitt und Bikermontur herumlaufen.«
    Einen Moment lang starrte er sie sprachlos an; er konnte sich nicht erinnern, aus dem Mund seiner Frau je das Wort Lesbe gehört zu haben.
    »Ist ja auch egal.« Audrey Clarke leckte ihre Fingerspitze ab; sie hatte Zitronentörtchen gebacken. »Es ist nur so gar nicht deine Art. Du bist in der Regel so bedacht darauf, immer den Überblick zu haben.«
    »Audrey, wenn ich glaubte, meine Anwesenheit würdeauch nur den geringsten Unterschied machen, wäre ich längst dort. So aber bin ich im Urlaub und möchte ihn genießen. Mit dir zusammen.«
    Früher einmal hatte Audrey Clarke das etwas ängstliche Lächeln ihres Mannes, bei dem sich die Haut zwischen den Augen zu einer tiefen Falte zusammenzog, anziehend gefunden. Es musste so gewesen sein, ja.
    »Ich geh mal an die frische Luft«, sagte sie. »Zum Strand hinunter.«
    Er blickte ihr nach, als sie davonging, eine Frau mittleren Alters in einem langen Tweedrock, einer Barbour-Jacke und grünen Gummistiefeln, um den Kopf einen Liberty-Schal. Sobald sie außer Sicht war, schlug Andrew Clarke die Telefonnummervon Dana Matthieson nach und rief vom Flur aus an.
    Zuerst meldete sich der Anrufbeantworter, und Andrew senkte schon den Hörer, als er Danas Stimme hörte. »Nancy? Nancy, bist du das?«
    »Ich bin’s, Andrew«, sagte er schriller als beabsichtigt. »Andrew Clarke. Ich wollte mich nur nach Ihrem Befinden erkundigen. Ich meine   –«
    Aber Dana hatte aufgelegt, und er sprach ins Leere.
     
    »Mistkerl«, flüsterte sie heftig. »Elender Mistkerl.«
    Sie kauerte neben dem niedrigen Tisch, auf dem das Telefon stand. Sie war aus der Badewanne gesprungen und hatte sich nur eilig ein Handtuch geschnappt, als Andrew Clarke angerufen hatte. Von ihrem Körper tropfte Wasser auf den Boden. Jedes Mal, wenn sie in einen Spiegel schaute und ihr Gesicht wieder mit Wimperntusche verschmiert sah, sagte sie sich, jetzt sei Schluss mit dem Weinen, sie habe keine Tränen mehr. Fröstelnd schlang sie beide Arme um ihren Oberkörper und wippte sachte auf Zehen und Fersen vor und zurück. Und weinte schon wieder.

18
    »Wie sieht’s aus, Charlie, kommen wir vorwärts? Was meinen Sie?« Beide Hände an die Wand gestemmt, die Arme durchgestreckt, stand Skelton da und dehnte seine Beinmuskeln; das Letzte, was er brauchte, war eine Sehnenzerrung, wenn er nachher die Derby Road wieder hinauflief.
    Resnick zuckte mit den Schultern. »Dieser Hidden will heute vorbeikommen. Nach allem, was wir wissen, war er ihr letzter Verehrer.«
    »Und was ist mit dem Mann, mit dem Divine und Naylorgestern gesprochen haben?« Die Finger um die Kappe seines Laufschuhs zog Skelton einen Fuß nach hinten hoch, bis er mit der Ferse eine Gesäßbacke berührte, zuerst den rechten, dann den linken.
    »Er hat für alle relevanten Zeiten Alibis. Wir überprüfen das noch. Aber nach dem, was ich gehört habe, scheint er nicht unser Mann zu sein.«
    »Das Auto ist der Schlüssel, Charlie.«
    Resnick nickte; als müsste er daran erinnert werden.
    »Ihnen ist nicht noch irgendwas gekommen? Kein schärferes Bild?«
    Wie ein hartnäckiger dunkler Fleck verharrte der verschwommene Eindruck in Resnicks

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