Nebel ueber Oxford
auf dem Rasen, was weder gut aussah noch gut roch. Candra hatte sich einmal auf der Arbeit darüber beschwert, doch niemand hatte sie ernst genommen. Ihre Kollegen hatten sogar gelacht, was sie ausgesprochen schmerzte.
Die Engländer waren ein schmutziges Volk, dachte sie boshaft, riss sich aber schnell wieder zusammen. Immerhin war sie ebenfalls Engländerin. Oder britische Asiatin – das war etwas anderes und viel Besseres.
Inzwischen war sie hellwach. An Schlaf war nicht zu denken. Die Katze turnte auf den Mülleimern herum, hatte mindestens eine umgeworfen und wurde jetzt von ihren Freunden besucht – oder vielleicht eher von anderen Katzen, die etwas abhaben wollten.
Candra wartete noch einen Augenblick darauf, dass vielleicht jemand anders ebenfalls den Lärm gehört haben könnte, doch das schien nicht der Fall zu sein. Heutzutage hatte niemand mehr Pflichtbewusstsein. Leider befand sich niemand näher am Unruheherd als sie, denn das Pärchen ein Stockwerk unter ihr war für eine Woche in Urlaub. Wahrscheinlich war sie die Einzige, dir durch den Lärm gestört wurde. Wenn sie diese Nacht noch Schlaf finden wollte, musste sie vermutlich selbst etwas unternehmen.
Sie zog ihre Hausschuhe an (die wie jeden Abend ordentlich unter dem Stuhl standen), schlüpfte in ihren Morgenmantel (der an der Tür hing) und griff nach einer kleinen Taschenlampe (die sie neben dem Sicherungskasten aufbewahrte). Sie hob einen der Vorhänge im Schlafzimmer an und spähte hinaus. Doch in der Dunkelheit und dem spärlichen Licht aus ihrem Fenster war nichts zu erkennen. Und als ob sie sie verspotten wolle, maunzte eine Katze im Finstern.
Candra ließ den Vorhang fallen und ging nach unten. Der frische Nachtwind trieb eine Konservendose vor sich her. Ihr Klappern war das, was sie offenbar geweckt hatte. Candra knipste ihre Taschenlampe an.
Das Licht im Treppenhaus erlosch wieder. Candra richtete den Strahl der Taschenlampe auf die Mülltonnen und ging weiter bis zu einer Dose, die auf dem Boden glänzte. Erst als sie sich bückte, spürte sie die Anwesenheit einer Person, die hinter ihr aus dem Schatten trat.
»Wir müssen miteinander reden. Es gibt da Dinge, die sollten Sie wissen, um verstehen zu können. In Ordnung?«
»Wer sind Sie?« Candras Stimme zitterte.
»Das spielt keine Rolle. Aber Sie müssen Ihre Ansichten und das, was Sie vorhaben, ändern, sonst …«
»Sonst was?« Candras Mut kehrte zurück, und ihre Stimme wurde fester.
»Alles hat mit Ihrem Standpunkt zu tun. Wenn Sie sich uns anschließen, passiert Ihnen nichts.«
Kapitel 28
Am nächsten Morgen verließ Jon gerade das Haus, als der Postbote ein wenig früher als üblich kam. Jon ging in die Küche zurück und überreichte Kate eine Postkarte.
»Von Roz«, sagte er, nachdem er einen Blick darauf geworfen hatte.
Auf der Vorderseite war ein Farbfoto der pittoresken Altstadt von Porto zu sehen. Auf der Rückseite stand: Mir geht es wunderbar. Das Wetter ist warm, der Himmel blau und das Essen fantastisch. Kuss, Roz.
Nichts weiter, weder Hoteladresse noch Telefonnummer. So war Roz nun einmal. Von Zeit zu Zeit machte sie sich gern auf und davon, um irgendwann zurückzukehren – meist mit einem unpassenden Mann im Schlepptau.
»Mach dir keine Sorgen um sie. Sie ist ein großes Mädchen und kann auf sich selbst aufpassen«, tröstete Jon, wobei er außer Acht ließ, dass Roz erst in jüngster Vergangenheit einem Betrügerpaar aufgesessen war und dabei beinahe ums Leben gekommen wäre. Als Kate nicht antwortete, fuhr er fort: »Also ich bin dann mal weg. Ach übrigens, da ist noch ein anderer, an uns beide adressierter Brief gekommen. Kannst du dich darum kümmern?«
»Sicher. Bis später«, sagte Kate abwesend. Sie starrte immer noch die Postkarte an, als könne sie sie zwingen, mehr Informationen preiszugeben. Die Karte erinnerte Kate an die Zeit, als sie noch ein Teenager war. Damals verschwand Roz ebenfalls, und das für viele Jahre. Alles, was Kate damals blieb, war von Zeit zu Zeit eine Postkarte, immer von einem anderen Ort und immer mit kurzen Nachrichten, die nicht wirklich etwas preisgaben.
Das Zuschlagen der Haustür holte Kate aus ihren Erinnerungen zurück. Sobald Jon aus dem Haus war, musste sie sich an die Arbeit machen, um ihre Recherchen rechtzeitig abschließen zu können.
Kurz dachte sie daran, dass sie und Jon in letzter Zeit immer seltener miteinander redeten. Sie hatte ihm nichts von ihrem Treffen im Randolph mit Blake Parker
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