Nebel ueber Oxford
in Versuchung gewesen, dieses Mädchen ins Institut zu lassen.
Ob die Polizei sich wohl die gleichen Fragen stellte? Sie würde ihn natürlich nicht ins Vertrauen ziehen, daher konnte er es nicht wissen. Für die Polizei galt vermutlich die gesamte Belegschaft als verdächtig. Wahrscheinlich ackerte man jetzt gerade sämtliche Akten durch, um herauszufinden, wer in seinen Studententagen als Rowdy gegolten hatte. Na ja, wer hatte wohl nicht während seiner Sturm- und Drangphase die eine oder andere Flasche geworfen? Candra schied aus, dachte er. Unvorstellbar, dass sie ihre hohen moralischen Ansprüche über Bord werfen und ihre weiß behandschuhten Hände beschmutzen könnte.
Der Gedanke an Candra ließ ihn wieder über sein anderes Problem nachgrübeln: Wie konnte er sicherstellen, dass die Geldmittel weiter flossen? Ohne finanzielle Unterstützung war die Existenz des Projekts bedroht, und ausgerechnet Candra erwies sich als größtes Hindernis in dieser Frage. Er würde mit ihr reden müssen, obwohl er alles andere als Lust hatte, sich ihrem kompromisslosen Blick zu stellen.
Kapitel 8
Eine halbe Stunde vor der mit Emma verabredeten Zeit klingelte Kates Telefon.
»Tut mir leid, Kate, aber mir ist etwas dazwischengekommen. Ich schaffe es nicht in die Stadt.« Emma klang enttäuscht und leicht hektisch.
»Sollen wir einen anderen Termin ausmachen?« Kate wusste, dass Emma diese ohnehin seltenen Pausen dringend brauchte, und wenn sie jetzt kein anderes Treffen mit genauem Datum und Uhrzeit festlegten, würde sie die Freundin wahrscheinlich wieder ein Vierteljahr lang nicht sehen.
»Hättest du nicht vielleicht Lust, zu mir zu kommen?« Plötzlich wurde Emmas Stimme lauter. »Ich komme sofort.« Kate war klar, dass sie mit einem ihrer Kinder sprach.
»Ist mit Sam und Kerri alles in Ordnung?«
»Ja sicher.« Es klang, als hätte Emma den unliebsamen Vorfall schon wieder vergessen.
»Ich bin in zwanzig Minuten bei dir.«
»Prima. Wenn ich ganz ehrlich bin, kann ich erwachsene Gesellschaft wirklich gut gebrauchen.«
Nachdem Kate an Emmas Tür geläutet hatte, hörte sie von drinnen Geräusche. Eine Tür wurde geschlossen, jemand kam die Treppe hinunter und durchquerte den Flur, und ein kleines Kind rief mit weinerlicher Stimme. Als sich die Haustür schließlich öffnete, blickte Kate auf die Kehrseite ihrer Freundin.
»Schon gut, Geraldine!«, rief Emma die Treppe hinauf. »Mal doch noch eines dieser hübschen rosa Schafe aus. Ich bin gleich wieder da.«
Geraldine? Emmas Töchter hatten romantischere Namen – Rosa oder Flora. Als Emma ihre Töchter taufen ließ, stellte sie sich vor, dass diese eines Tages zu netten kleinen Mädchen heranwachsen würden, die in Laura-Ashley-Kleidchen durch blühende Blumenwiesen liefen. (Die Wirklichkeit sah ein wenig anders aus: Eine von Emmas Töchtern weigerte sich, etwas anderes als Jeans zu tragen, und sah aus wie ein kleiner Preisboxer.) Kate war sich dennoch so gut wie sicher, dass keines von Emmas Kindern auf den Namen Geraldine hörte.
»Sie ist ganz schön durcheinander von dem ganzen Trara.« Emma drehte sich zu Kate um und sprach sie direkt an. »Man kann es der kleinen Maus wirklich nicht übel nehmen.« Sie ging voraus zur Treppe.
»Passt mein Besuch dir wirklich? Soll ich vielleicht lieber später wiederkommen?« Als Emma den Kopf schüttelte, überreichte Kate ihr ein Päckchen Schokokekse, die sie für den Fall mitgebracht hatte, dass es Emma nicht gelungen war, ihre Kekse gegen den Rest der Familie zu verteidigen.
»Vielen Dank, Kate. Das ist wirklich lieb von dir. Ehe wir uns in die Küche setzen, möchte ich dich bitten, mit nach oben zu kommen. Ich will dich Geraldine vorstellen, weil die Kleine sonst denkt, du wärst eine Ärztin.«
Ärztin? Noch nie hatte jemand Kate für eine Ärztin gehalten. Sie gab sich Mühe, sich kreativ und originell zu kleiden, und wenn es möglich war, kombinierte sie auch einmal Designermode. Nie trug sie einen zerknitterten grauen Hosenanzug, eine verschossene blaue Bluse oder den genervten Gesichtsausdruck, mit dem ihre eigene Hausärztin sie bei ihrem letzten Besuch erwartet hatte.
Emma nahm sie mit in eines der zahlreichen Zimmer des weitläufigen Hauses. Ihr Ehemann hatte es von seinen Eltern geerbt, und es war glücklicherweise groß genug für Emmas viele Kinder. Würde man es entrümpeln und neu anstreichen, wäre es vermutlich ein Vermögen wert, dachte Kate. Allerdings würden Emma und Sam wohl niemals
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