Nebel ueber Oxford
Geigenkasten lehnte an einem Schrank, aus dessen halb geöffneten Schubladen die unterschiedlichsten Kordeln und eine Schulkrawatte quollen. Jemand hatte zwei nicht zusammenpassende Turnschuhe in eine Ecke gefeuert, und auf dem Boden neben der Abstellkammer stapelte sich ein Berg Bügelwäsche.
Neben dem Herd schlief eine alte Katze mit ungepflegtem, hellem Fell und zerfetzten Ohren friedlich in ihrem Körbchen. Überall lagen Kinderbücher voller Lesespuren herum.
Es war die vertraute Dolby’sche Unordnung, in der radikale Tierschutzaktivisten und Bombenleger keinen Platz hatten.
Als Emma mit dem leeren Tablett zurückkehrte, sagte Kate: »Du hast dir da einiges aufgehalst, indem du dich nicht nur um die eigenen Kinder, sondern auch noch um die kleine Geraldine kümmerst.«
»Willst du damit sagen, dass das Haus wie eine Müllhalde aussieht?«
Nicht schlimmer als sonst auch, dachte Kate. »Nein, absolut nicht. Ich habe mich nur gefragt, wie du es fertigbringst, bei dieser Belastung noch zu arbeiten.«
»Arbeiten? Leider geht es mir nicht wie dir. Du hast keinerlei häusliche Rücksichten zu nehmen. Diese Familie zu managen ist weiß Gott Arbeit genug.« Emma fuhr sich mit der Hand durchs Haar, was nur noch deutlicher machte, dass sie dringend eines neuen Haarschnitts bedurfte. »Vor allem jetzt.«
»Mir ist klar, dass das hier ein Fulltime-Job ist«, erwiderte Kate. »Nur machst du sonst immer noch so viele andere Dinge nebenher.«
»Das war einmal«, sagte Emma, setzte sich, goss Kaffee in die Tassen, schob Kate die Packung mit den Schokokeksen hin und bediente sich schließlich selbst. »Entschuldige, Kate, ich sollte das nicht an dir auslassen.«
»Kein Problem, Emma. Ich habe längst gemerkt, dass du unter Druck stehst.«
»Ich kann mir kaum noch vorstellen, dass ich früher einmal Zeit zum Schreiben hatte. Ich dachte, das würde sich wieder ändern, wenn die Kinder älter werden. Aber es scheint nicht zu funktionieren. Ich muss ein Auge auf meine Mutter haben, die auch nicht jünger wird, und mich um Haus und Kinder kümmern. Irgendwie finde ich keine freie Minute mehr, um ein neues Buch zu schreiben.« Sie starrte ihren Schokokeks an, als läge in ihm die Lösung all ihrer Probleme, brach ihn in zwei Teile und stopfte ihn sich in den Mund. Offenbar konnte sie nur eine stete Zufuhr an Schokolade über ihre Enttäuschung hinwegtrösten.
»Sobald Geraldines Mutter wieder zu Hause ist, wirst du mehr Zeit haben.«
»Glaubst du wirklich? Manchmal frage ich mich, ob ich je wieder eine Idee haben werde, die sich zu veröffentlichen lohnt.«
»Du weißt, dass du Talent hast, Emma. So etwas verschwindet nicht einfach – es liegt nur im Moment auf Eis.«
»Vielleicht hast du ja recht.« Emma nickte ein wenig heiterer.
»Helfen dir die Älteren nicht bei der Arbeit? Sam und äh …«
»Sam und Abigail? Sam ist ein lieber Kerl, aber du weißt ja, wie Jungen sind. Na ja, vielleicht weißt du es auch nicht. Sie denken in diesem Alter nur an ihre eigenen Angelegenheiten. Und nach diesem Anschlag im Labor hat er genug um die Ohren, da will ich nicht auch noch mit meinen Ansprüchen kommen.«
»War es nicht schrecklich für dich zu erfahren, dass er so nah an der Bombe war?«
»Es hat sich zwar offenbar nur um eine kleine Bombe gehandelt, aber ich musste natürlich daran denken, was alles hätte passieren können. Sam hingegen macht sich anscheinend größere Sorgen um Kerri.«
»Seine Freundin?«
»Genau. Sie haben sich im Labor kennengelernt. Eigentlich ist sie ganz und gar nicht sein Typ – sehr nervös und extrem schüchtern. Wenn sie zum Essen zu uns kommt, sagt sie kaum jemals etwas. Aber so einschüchternd wirken wir doch gar nicht, oder?«
»Vielleicht ist sie nicht an solche Menschenmengen gewöhnt.«
»Nun, so viele sind wir auch wieder nicht. Sam ist ihre starke Schulter zum Anlehnen. Ich hoffe nur, dass sie ihn nicht nur benutzt.«
»Sam ist ein prima Kerl. Ich bin sicher, er weiß, was er tut.« Es hört sich an, als würde der junge Mann in die Fußstapfen seiner Mutter treten, dachte Kate.
»Die beiden sind noch sehr jung. Wahrscheinlich haben sich ihre Gefühle füreinander verändert, wenn Sam nächstes Jahr aus China zurückkommt.«
»Glaubst du? Aber sag mal, Emma, weißt du schon, wem die Polizei diese Bombe zur Last legt?«
»Bisher wissen wir noch nichts. Doch Sams Vater ist sicher, dass es die Tierversuchsgegner waren.«
»Natürlich waren sie es!«, platzte Kate heraus.
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