Nebelflut (German Edition)
Bullen hätten mich angehalten! Weißt du, was die in Mountjoy mit einem wie mir machen? Mehr als zwei Fäuste habe ich nicht und da drin wartet eine ganze Meute ausgehungerter Schwuchteln, die nichts Besseres zu tun haben als den ganzen Tag Gewichte zu stemmen!«
»Beruhig dich bitte.«
Jerzy zog die Nase hoch und schaute aus dem Fenster. »Wo ist dein Auto? Mal wieder gestohlen?«
»Nein.«
Der Dealer steckte sich eine Zigarette an und hielt Patrick die Packung hin. Dieser schüttelte den Kopf. Seine Lungen hatten sich lange nicht so gut angefühlt wie nach seinem unfreiwilligen Waldspaziergang. Er hörte, wie Jerzy an seiner Kippe sog und heftig die Luft ausstieß. »Du steckst ganz schön in der Scheiße, oder? Glaub mir, ich weiß wie jemand aussieht, der in der Scheiße steckt.«
»Weißt du das.«
Patrick sah aus dem Augenwinkel, dass Jerzy zu ihm herüberblickte. Er nahm sein Basecap ab, strich sich die dunkelblonden Strähnen aus der Stirn und schien mit sich zu hadern, bevor er weiter sprach. »Dein Wagen, dein alter Ford Escort. Das ist die Kiste, von der sie in den News gesprochen haben, oder?«
Patricks Hände verkrampften sich ums Lenkrad. Warum um alles in der Welt musste sein Weg nach Dublin heute derart steinig sein?
Jerzy betrachtete ihn und zog offensichtlich seine eigenen Schlüsse daraus, dass Patrick nicht antwortete. Er nickte und zog abermals an seiner Zigarette. »Glaub mir, ich weiß wie ein Mörder aussieht. Ich erkenne einen Mörder, wenn ich einen sehe, und du bist keiner. Ich denke, du bist eigentlich ein ganz netter Kerl und ich will dir was mitgeben, bevor du mich gleich in Dublin absetzt und ich raus bin aus der Nummer.«
»Okay.«
»In meiner Heimat gibt es ein Sprichwort. Człowiek strzela, Pan Bóg kule nosi. Du hast vermutlich keinen Schimmer, was das bedeutet.«
»Nicht im Geringsten.«
»Dann will ich es dir sagen. Es heißt, dass du dem Schicksal vertrauen musst. Dass dir gar nichts anderes übrig bleibt und dass am Ende immer genau das geschehen wird, was geschehen soll. Der Mensch schießt, aber Gott lenkt die Kugel. Und er lenkt sie so, dass alles gut wird. Wenn der Weg dahin auch irgendwie beschissen ist.«
»Danke, aber …« Patrick öffnete das Fenster und ließ die kalte Nachmittagsluft in den Wagen strömen. »… ich glaube weder an Gott noch ans Schicksal.«
-88-
Patrick durfte Jerzys Wagen bis morgen Abend behalten und weiter als bis dahin hatte er ohnehin noch nicht geplant. Eigentlich hatte er nicht einmal bis dahin einen genauen Plan.
Er schloss die Tür auf, betrat das Haus und lauschte.
»Hi.« Sophie stand auf der Treppe und kam offensichtlich gerade von oben. »Ich wasche gerade mein Zeug, also …« Ihr Blick begegnete dem seinen.
Patrick ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und atmete durch. »Sophie, ich …«
Sie schüttelte energisch den Kopf und das Haar flog ihr um die Schultern. »Nein, sag nichts.« Sie kam die letzten Stufen herunter und blieb vor ihm stehen, so dicht, dass er die Wärme ihres Körpers spürte. »Es ist okay.«
Er musterte sie prüfend, konnte aber kein Anzeichen dafür entdecken, dass sie nicht aufrichtig war. Ein Stein fiel ihm vom Herzen, denn gerade nachdem sie sich so nah gekommen waren, wollte er sie keinesfalls verletzen. »Es tut mir trotzdem leid, dass ich einfach abgehauen bin. Das war nicht sehr …«
»Manchmal ist man einfach nicht sehr …« Sie schaute an ihm vorbei, in irgendeine Ferne, die nur sie zu kennen schien. Dann fand ihr Blick wieder den seinen. »Ich denke, wir sind quitt, denn ich habe etwas zu gestehen.«
»Etwas zu gestehen?«
»Ja. Ich habe mir die Artikel auf dem Computer angesehen.«
Er wollte etwas sagen, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Ich habe das nicht gemacht, um in deinem Privatleben herumzuschnüffeln, sondern weil ich mir Sorgen gemacht habe. Ich dachte, dort finde ich vielleicht einen Hinweis darauf, wo du abgeblieben bist.«
Er nickte und spürte, dass er ihr zumindest eine ansatzweise Erklärung schuldete. »Diese beiden Toten … Es sieht alles danach aus, dass sie meine Schwester entführt und ermordet haben.«
»Und jetzt wurden sie selbst ermordet.«
»Ja.«
»Mein Gott, diese ganze Geschichte ist so erschütternd.« Sophie atmete durch. »Ich habe auch einen Bruder, weißt du? Wenn mir etwas zustoßen würde … Ich mag mir gar nicht vorstellen, was er tun würde.«
Ihre Worte brachten Patrick dazu, sich zu schämen. Lügen , wäre es
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