Nebelgrab (German Edition)
heiligen Irmgard an die Wäsche zu gehen?«, fragte der Professor, den Hubert dem Aussehen nach auf Mitte 50 schätzte.
Hausermann trug seinen Hut tief ins Gesicht gezogen und wirkte in seinem langen Mantel gedrungen, fast unförmig. Er putzte sich ständig mit einem weißen Taschentuch unter der Nase her, obwohl er nicht an Schnupfen zu leiden schien.
Hubert war etwas konsterniert durch die für ihn schon fast an Blasphemie reichende Bemerkung über Süchtelns Stadtheilige.
»Also, ehrlich gesagt bin ich mit Respekt vor dieser frommen Frau bisher ganz gut durchs Leben gekommen.«
»Aha! Sie stehen dazu, das gefällt mir!« Der Professor reckte sein Kinn etwas in die Höhe; es zeigte nicht die Spur von Bartwuchs.
Konrad schaltete sich ein: »Wie wäre es, wenn wir erst mal in die Wirtschaft gehen«, und drängte die beiden in ein Gasthaus.
Sie hatten sich mitten in Düsseldorf in der Nähe des Bahnhofs getroffen. In der Kneipe herrschte Dämmerlicht, und die Geräuschkulisse war vielfältig, perfekt für geheime Gespräche. Sie setzten sich in eine Ecke und bestellten jeder ein Altbier. Konrad reichte eine Runde Zigaretten.
»Oh, Amerikanische!«, lobte Hausermann und nickte Konrad anerkennend zu. »Mein Lieber, Sie scheinen drüben viel gelernt zu haben.«
Sie unterhielten sich eine Viertelstunde lang über Belanglosigkeiten, über Konrads Aufenthalt in Übersee und kreisten allmählich den eigentlichen Grund des Treffens ein.
»Also, junger Mann, was Sie von mir wollen, ist nicht ganz einfach.«
»Moment, Konrad hat …«
»Ja, ich weiß, Konrad hat mich als Experten vorgeschlagen. Und ich versichere Ihnen: Sie kriegen keinen Besseren!« Hausermann paffte zufrieden an seiner dritten Zigarette. »Also, Folgendes: Sie geben mir die Tasche – ich hoffe, Sie haben Sie dabei?«
Hubert nickte.
»Gut«, sprach der Professor weiter, »ich sehe mir die Kostbarkeiten an und kann Ihnen vielleicht direkt sagen, was sie wert sind. Haben Sie mich nun genug kennengelernt, dass Sie mir vertrauen?«
Hubert nickte wieder – mit einem Seitenblick auf Konrad.
»Dann los!«
Hausermann stand auf, bezahlte und winkte den beiden, ihm zu folgen.
Es würde ernst werden. Hubert atmete tief durch, dachte kurz an Lene, die von seinem Treffen hier nichts wusste, und folgte Konrad zum Bahnhof. Hubert holte die Tasche aus einem Schließfach und gemeinsam fuhren sie mit einem Taxi zum Haus des Professors. Die Tasche hielt Hubert während der Fahrt mit beiden Armen auf seinem Schoß. Die Jahre der Ungewissheit sollten also endlich zu Ende gehen. Die Odyssee der Tasche mit ihrem brisanten Inhalt könnte bald zu ihrem Schluss kommen. Huberts Herz schlug laut, so laut und im Rhythmus von Lenes Schimpftiraden, die er sich zwangsweise vorstellte, dass es ihn fast um den Verstand brachte. Er bemerkte kaum, dass das Taxi hielt und sie am Ziel waren.
In grellem Licht und mit hoch gekrempelten Hemdsärmeln, einer starken Lupe und behandschuhten Händen begutachtete Professor Hausermann kurze Zeit später die Fundstücke, minutenlang, schweigend. Hubert kratzte mit einem Fingernagel auf der Tischplatte herum, Konrad rauchte. Sie befanden sich im Keller eines modern eingerichteten Einfamilienhauses in Düsseldorf Kaiserswerth. Hubert staunte über die Besitztümer des Professors. Er schien nicht arm zu sein. Einerseits beruhigte ihn dieser Umstand, andererseits könnte man vermuten, er habe den Reichtum durch illegale Geschäfte erlangt. Doch immer wieder bestätigte Konrad durch seine Blicke, dass alles in Ordnung sei.
Der Professor schnaufte zwischendurch wie nach körperlicher Anstrengung. Schließlich sagte er: »Ich werde die Schmuckstücke mit ins Institut nehmen und dort genauer untersuchen. Den Schädel gebe ich einem Kollegen, der einwandfrei das Alter bestimmen kann.«
»Davon war aber nicht die Rede, Herr Professor Hausermann. Ich kann Ihnen die Dinge nicht einfach überlassen; Sie verstehen sicher.«
»Nun, junger Mann, wenn das so ist, kann ich Ihnen nicht helfen. Tut mir leid.«
Er fing an, alles in die Tasche zu räumen.
Konrad legte eine Hand auf Huberts Arm. »Das geht in Ordnung, Hubert, hab Vertrauen.«
Huberts Zweifel lagen noch immer in seinem Blick, doch nach ein paar Sekunden Bedenkzeit nickte er schließlich und räumte ein: »Also gut, mir bleibt ja wohl keine Wahl. Wie lange brauchen Sie für die Untersuchung?«
»Eine Weile wird es schon dauern. Ich werde für den Schmuck nicht lange brauchen, aber
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