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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Drei Schichten umgaben das Herz der Quelle. Die ersten beiden, so hatte Nhordukael als Novize gelernt, waren die Träger der Magie, die Äußere und die Innere Schicht. Sie erstreckten sich über das riesige Einflussgebiet der Quelle, das die Fürstentümer Thax und Palgura sowie einen Teil Palidons einbezog. In ihm flössen die Ströme der Magie wohl geordnet durch beide Schichten, und jeder Priester des Tathril konnte sie zum Wohl der Kirche verwenden.
    Doch es gab eine dritte, die Heilige Schicht, die das Herz der Quelle umgab und die nur dort, in unmittelbarer Nähe, berührt werden konnte. Außer Magro Fargh durfte kein Angehöriger der Kirche ihr zu nahe kommen, es sei denn mit ausdrücklicher Erlaubnis des Hohepriesters.
    Nhordukael wusste, dass er eigentlich zu jung war, um der Quelle entgegenzutreten. Wenn er auf die geschmolzene Glut des Sees blickte, spürte er ihr Aufpeitschen. Er wußte, dass er in ihrer Nähe keine Schwäche zeigen durfte; auch wenn sie gefesselt war, vermochte sie einen unerfahrenen Geist ins Verderben zu reißen. »Dir wird nichts geschehen!«, hörte er neben sich den Hohepriester murmeln. »Wir stehen unter Tathrils Schutz. Er ist es, der das Schicksal meines Lebens lenkt. Er ist es, der mir befiehlt, dem Tod zu trotzen!« Heiß brannte die Metallschale in Nhordukaels Händen. Blaue Funken sprangen an seinen Fingern empor. Langsam setzte Nhordukael die Schale an die Lippen. Als er den ersten Schluck nahm, bohrte sich die Hitze in seine Kehle.
    Nun sah er sie: Tathrils Größe. Tathrils Erhabenheit. In einem gleißenden Licht tat sich das Auge der Glut vor ihm auf, das Herz der Quelle. Es war von einer überwältigenden Schönheit.
    Er blickte an sich herab. Blau glühten seine Hände, als sie von der Wirkung des Sphärenfeuers erfasst wurden. Nhordukael stellte die Schale ab und konzentrierte sich auf die ihn umfließende Magie. Das Wispern des Hohenpriesters drang zu ihm herüber. »Gib mir die Kraft meiner Jugend zurück, Tathril! Nimm meinen Gliedern die Schmerzen, befreie meinen Körper von der Krankheit, die in mir wuchert. Du besitzt die Macht über das Leben. Du kannst das Undenkbare geschehen lassen, du kannst das Gefüge der Zeit ändern, um deinen Diener zu erretten.« Sphärenströme stürzten auf Nhordukael nieder; gleißende Lichtbögen, die von der Glut des Vulkansees aufgeworfen wurden. Blitzschnell griff er nach ihnen, und während sie sich in seinen Fingern wanden, bog er sie zu einer neuen Form.
    »Warum erhörst du mich nicht, Tathril?«, flehte der Hohepriester. »Beende meine Prüfung! Schenke mir neues Leben, damit ich der Vernichtung, die deine Welt bedroht, Einhalt gebieten kann.«
    Nhordukael konzentrierte sich auf die Erscheinungen, die sich über dem glühenden See aufgetan hatten. In dem blutroten Rauch war das Schimmern seidenartiger Fäden zu erkennen. Sie leuchteten in klaren, hellen Farben; hier ein türkises Blau, dort ein strahlendes Grün - ein Netz aus hunderten von Farben, die den Rauch der Glut zerschnitten. Es war der Abglanz der Zauber, die von der Tathrilya im Lauf der Jahrhunderte an diesen Ort gebunden worden waren. Hier, im Herz der Quelle, ruhten die großen Werke der Kirche; der Zauber, der die Felder von Palidon fruchtbar hielt, oder jener, der den Schwertern der Tempelritter ihre tödliche Schärfe verlieh. Auch den Zauber des besänftigten Stroms entdeckte Nhordukael - der bedeutendste Zauber, den die Tathrilya hervorgebracht hatte. Durch ihn hatte die Loge Suuls Hauch bezwungen, den kalten Strom, der das Ostmeer in seinem eisigen Griff hielt. So hatte die Tathrilya den Seeweg zwischen Siccelda und Palidon vom Eis befreit und den Seefahrern eine neue Handelsstrecke erschlossen.
    Manche Zauber waren für Nhordukael unverständlich und rätselhaft. Sie waren vor langer Zeit gewoben worden, von den Hohepriestern vergangener Jahrhunderte. Wenn die Legende der Wahrheit entsprach, gingen manche Zauber gar auf den Bezwinger der Quellen zurück, den großen Durta Slargin, Gründer der Tathrilya.
    Andere Zauber leuchteten in düsteren Farben, schillerten schwarz oder gaben ein fahles Gelb ab. Dies waren die Zauber der Bathaquar; die Sekte hatte sie während ihrer Herrschaft über den Brennenden Berg an das Auge der Glut gefesselt. Wie Schlangen wanden sie sich durch die Sphäre, schienen nach Nhordukael zu greifen und ihn zu sich zu locken …
    Eine Berührung an seiner Schulter! Erschrocken fuhr Nhordukael auf. Neben ihm stand der

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