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Nebelschleier

Titel: Nebelschleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zweite Hochzeitsreise mit seiner Frau werden, nachdem die beiden nach einer mehrmonatigen Trennung wieder zusammengekommen waren – Angermüller verdrängte, was an verwirrenden Gedanken durch sein Hirn waberte, und schüttelte den Kopf über sich selbst.
    Unkonzentriert las er in dem Coburger Blatt – bis er auf einen Artikel über Gentechnik stieß. Der aktuelle Aufhänger war eine Demo in Unterfranken, bei der Gegner und Befürworter gewaltsam aneinandergeraten waren. Dazu befragt, forderte ein bäuerlicher Verbandsfunktionär, dass man die Chancen dieser Forschung nicht einfach beiseiteschieben solle, denn schließlich müsse auch der deutsche Bauer im internationalen Wettbewerb bestehen. Er plädierte für ein friedliches Nebeneinander von Pflanzen mit und ohne Gentechnik. Ein Biobauer lehnte dieses Ansinnen als blauäugig ab, denn der Wind, der die Saat weitertrage, mache keinen Unterschied, was auf welchem Feld angebaut würde, und ein besorgter Imker fragte nach dem Zusammenhang zwischen dem seit einiger Zeit grassierenden Bienensterben und genmanipulierten Pflanzen.
    Am Ende des Artikels erwähnte der Schreiber noch, dass hier im Landkreis die Gegner der Pflanzengentechnik in der Überzahl seien. Aus dem, was Angermüller am Morgen gehört hatte, war aber klar, dass es zumindest in Niederengbach scheinbar eine Minderheit gab, die sich einen Vorteil von der neuen Technologie versprach. Bestimmt würde ihm Johannes mehr zu diesem Thema erzählen können.
    Er sah auf die Uhr. Eigentlich war jetzt eine gute Zeit, mal auf dem Sturms-Hof vorbeizuschauen. Doch auch wenn er den alten Steinlein kaum gekannt hatte – sein Tod und die Umstände, unter denen er ums Leben gekommen war, drückten auch auf Angermüllers Gemüt. Er verließ seinen gemütlichen Platz auf der Gartenbank. Er war sich nicht mehr sicher, ob ein Besuch bei Johannes und Rosi jetzt eine gute Idee war – wer weiß, wie dort die Stimmung war. Langsam ging er zum Hoftor und schlenderte schließlich unschlüssig die Dorfstraße entlang.
    »Na, Schorsch! Ach emal wieder in der alten Heimat?«
    »Grüß dich, Dieter!«
    »Wie geht’s da denn, du altes Nordlicht?«
    »Mir geht’s gut, danke – ich hab ja Urlaub! Und selbst?«
    Dieter war Bauer und hatte als ältester Sohn den Hof seiner Eltern übernommen. Er war in etwa so alt wie Georg, doch viel hatten sie nie miteinander zu tun gehabt. Aber natürlich kannte man sich und wechselte ein paar Worte miteinander – so war das eben in einem Dorf wie Niederengbach, das gerade mal etwas über 200 Seelen hatte.
    »Es geht, es geht. Es muss ja, gell!«, er lachte behäbig. »Sache mal, haste scho ghört, was bei uns passiert is? Den Steinleins Bernhard hat einer …«, und er machte eine eindeutige Handbewegung. Angermüller nickte.
    »Und du, als alter Kriminaler? Was sachstn da dazu?«
    »Ich hab Urlaub, Dieter! Ich bin froh, dass ich nix damit zu tun hab!«
    »Weißt du eigentlich, dass der alte Steinlein und der Sturms Johannes …«
    Dieter ließ seine beiden Zeigefinger vor Angermüllers Gesicht aufeinander losgehen. Er sah sich um und senkte die Stimme: »Der und sei Schwiegersohn, die warn spinnefeind miteinander. Von dem ganzen Biozeuch hat der Bernhard doch gar nix ghalten!«
    Wie pflegte Johannes den Dieter früher immer zu nennen? Richtig, einen alten Laberarsch.
    »Und du, hast du mit dem alten Steinlein keinen Streit gehabt? Der hat sich doch mit jedem angelegt!«, meinte Angermüller leicht gereizt.
    »Also, da kann ich fei nix sagen! Ich bin immer gut mit dem Bernhard auskomme!«
    »Dieter, ich muss dann wieder! Wir sehn uns bestimmt noch mal.«
    »Ade!«
    »Ade!«
    Georg erinnerte sich genau, dass Dieter und seine Familie gar nicht gut auf den Steinleins Bernhard zu sprechen waren, der dank seiner Beziehungen im Landratsamt dafür gesorgt hatte, dass die Umgehungsstraße deren Felder durchschnitt und seine verschonte. Und Fehden dieser Art tilgte in Niederengbach nicht einfach die Zeit.
    Zu seiner Linken sah Georg das Haus der Familie Schwarz liegen. Sie waren nach dem Krieg aus Danzig hierhergekommen und hatten sich mit Fleiß und Sparsamkeit eine bescheidene Existenz aufgebaut. Von dem alten Ehepaar gab es nur noch Frau Schwarz und viele im Dorf sprachen nach wie vor von ihr und der Familie als von den Flüchtlingen. So auch Angermüllers Mutter. Gottlieb, den Sohn der Schwarzens, hatte die Nachbarin heute sogleich als Verdächtigen für den Mord am Steinleins Bernhard ins Gespräch

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