Nebelschleier
große Salatschüssel waren im Handumdrehen geleert. Georgs Salatsoße mit dem frisch-scharfen Zitronen-Knoblaucharoma wurde allseits für gut befunden und schon lief Lena die Nachspeise holen. Es gab Zimtapfelmus mit Schlagsahne und gerösteten Weizenkeimen, und das emsige Kratzen der Löffel in den Schälchen zeugte vom köstlichen Geschmack. Der Tisch wurde abgeräumt, und dann war die Jugend ziemlich schnell verschwunden, um Musik zu hören, Tischtennis zu spielen oder E-Mails zu schreiben.
»Dann wollen wir jetzt mal ein richtig gutes Fläschle Frankenwein aufmachen, gell Schorsch!«
Johannes ging zum Flur, wo die Tür zum Keller lag. »Gibt’s noch ein bissle Käse dazu, Rosischatz?«
Rosi, die ihnen den Rücken zugewandt und sich mit dem Geschirr und der Spülmaschine beschäftigt hatte, antwortete darauf nicht, sondern ging Johannes in den Flur nach.
Georg Angermüller hörte, wie die beiden leise miteinander sprachen. Es klang erregt, aber er konnte den Zusammenhang ihrer Worte nicht verstehen. Dann lachte Johannes kurz auf und Rosi hob empört ihre Stimme.
»Jetzt sag, wo du warst! Und lustig finde ich das schon gar nicht!«
Georg Angermüller verstand überhaupt nicht, was hier los war, und hätte sich am liebsten sofort verabschiedet. Nichts war schlimmer, als Zaungast einer solchen ehelichen Auseinandersetzung zu werden.
»Ich habe Angst, Johannes, verstehst du! Ich möchte nicht, dass du dich mit diesen Leuten triffst! Schon gar nicht, nach dem was heute passiert ist!«
Jetzt sprach auch Johannes in normaler Lautstärke.
»Rosi, du siehst Gespenster! Die haben mit dem Tod deines Vaters mit Sicherheit überhaupt nichts zu tun!«
»Wie kannst du da nur so sicher sein? Du hast gesagt, dass du sie noch nicht lange kennst, und du hast auch gesagt, dass manche von denen ziemlich gewaltbereit sind!«
»Aber doch in einem ganz anderen Zusammenhang! Das ist ja auch der Grund, warum ich mit denen rede! Ich will denen klarmachen, dass solche militanten Aktionen nach hinten losgehen und die Stimmung gegen uns aufbringen!«
»Und auf dich hören die, ja? Ach, Johannes.«
Mit Rosis Beherrschung war es vorbei, und sie rannte an Georg vorbei, hinaus in den dunklen Garten.
»Tut mir leid, Schorsch!«, Johannes stand im Türrahmen und machte eine hilflose Geste. »Seit ein paar Wochen haben wir schon diese Diskussion wegen so ein paar jungen Leuten, die sich hier gegen die Gentechnik engagieren – die sich unserem Kampf angeschlossen haben, wie sie sagen –, ob wir wollen oder nicht. Sie nennen sich die ›Militanten Feldmäuse‹. Sind halt junge Heißsporne, so waren wir früher ja auch! Rosi kennt die gar nicht. Aber sie hat schon immer Angst gehabt, ihr Vater würde ins Visier geraten, wegen dieser Gerüchte, dass er an die Camposano-Leute verkaufen wollte.«
»Du meinst diesen internationalen Saatgutkonzern, der die Genversuche macht?«
»Genau! Und jetzt denkt sie, da bestünde ein Zusammenhang zwischen den Aktionen dieser Truppe und dem Tod vom Bernhard. Völlig absurd!«
Angermüller überlegte einen Moment, ob er Johannes mit dem Wissen über seinen Besuch beim alten Steinlein konfrontieren sollte. Aber er entschied sich dagegen. Vielleicht würde ihm Johannes ja von selbst davon erzählen, wenn er das Gespräch unauffällig in diese Richtung lenkte.
»Aus meiner beruflichen Erfahrung mit solchen Gruppen würde ich auch sagen, dass ein paar wenige, besonders radikale zwar vor Gewalt gegen Sachen nicht zurückschrecken – aber einen Menschen umbringen?«, er wiegte nachdenklich seinen Kopf. »Alles ist möglich, aber vorstellen kann ich mir das eigentlich auch nicht.«
»Vielleicht kannst du ja versuchen, Rosi von ihren abwegigen Verdächtigungen abzubringen, wenn sie wieder auftaucht. Ich hol jetzt erst mal den Wein.«
Geräuschvoll nahm Georg einen Schluck von der Scheurebe, drückte ihn sanft mit der Zunge gegen den Gaumen, schluckte genießerisch und ließ die Atemluft bei geschlossenem Mund durch die Nase entweichen. Es war ein körperreiches Gewächs, schmeckte nach kräftigen, fruchtigen Aromen wie Quitte und schwarzer Johannisbeere. Johannes beobachtete gespannt seinen Freund.
»Na, wie findest du ihn?«
Georg nickte anerkennend.
»Ein feines Tröpfchen!«
»Gell, da kann man sich dran gewöhnen! Die Rosi versäumt was.«
Georg nickte.
»Warum hast du ihr eigentlich nicht sagen wollen, wo du warst, Johannes?«
»Ja, ja, unser Herr Kommissar!«, meinte Johannes mit einem
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