Nebelschleier
Bohnsack sich nicht hinreißen. Immerhin reichte er Angermüller über den Schreibtisch hinweg die Hand. Aber nur kurz, denn am anderen Ende der Leitung meldete sich sein Gesprächspartner und er durfte wieder betriebsame Geschäftigkeit demonstrieren.
Angermüller war froh, seine Zeugenaussage bei Sabine Zapf machen zu können. Sie beschränkte sich auf die für den Fall wesentlichen Details und stellte keine Fragen, die seine eigenen Recherchen beleuchtet hätten. Wahrscheinlich lag es auch nicht in ihrem Interesse, ihre nicht ganz zulässige kollegiale Auskunftsbereitschaft gegenüber Angermüller offiziell zur Sprache zu bringen. Auf welchen Pfaden Angermüller bei der Aufklärung gewandelt war oder besser, auf welchem Holzweg er sich befunden hatte – das wusste sie ja glücklicherweise nicht, und so sagte er einfach, Paolas Beziehung zu Ottmar Fink habe ihn auf die richtige Spur gebracht. Was ja irgendwie sogar stimmte. Dass dies erst vor wenigen Stunden passiert war, behielt er für sich.
Als er seine Aussage unterschrieben hatte und Sabine Zapf ihn zum Ausgang brachte, wo schon ein Streifenwagen bereitstand, um ihn nach Niederengbach zu bringen, fragte er doch noch nach, wie denn die Coburger Kollegen auf Paola gekommen waren. Er war zu sehr Profi, als dass ihn das nicht interessiert hätte.
»Zum einen durch Paola Steinleins Handy.«
»Wie? Durch ihr Handy? Ist sie abgehört worden oder was?«
Lachend schüttelte Sabine Zapf den Kopf.
»Nein, das nicht. Paola Steinlein hatte behauptet, der Akku ihres Handys sei leer gewesen und man habe sie deshalb nicht erreichen können, als sie am Tag der Tat mit dem Auto in der Bamberger Gegend unterwegs gewesen ist. Aber ich hatte gesehen, dass sie in ihrem Auto ein Ladegerät hat.« Die Kommissarin machte eine dramatische Pause. »Das konnte natürlich defekt sein. Aber mir ließ das irgendwie keine Ruhe. Ich habe dann gestern Nacht ihre Handyverbindungen gecheckt und sie hat den ganzen Freitag über von ihrem Handy aus mit Leuten telefoniert. Zwischendurch hat sie es immer ausgeschaltet, um nicht erreichbar zu sein. Warum hatte sie das gemacht? Und warum hatte sie uns belogen? Was hatte sie zu verbergen?«
Angermüller nickte beeindruckt.
»Nicht schlecht, Frau Kollegin!«
»Und dann bekamen wir heute von den Spezialisten die rekonstruierten Nachrichten von Steinleins Kommunikationscomputer: die Anweisungen an Fink zum Verkauf der am Gasthof gelegenen Grundstücke, die Verabredung mit ihm am Freitag Nachmittag und was Steinlein seiner Tochter geantwortet hatte, als sie ihn danach fragte. Rolf und ich wollten der Paola Steinlein heute deswegen sowieso auf den Zahn fühlen und da kam Ihr Anruf …«
Das Gespräch stockte.
»Dann will ich Sie nicht länger aufhalten, Frau Zapf. Sie haben wohl noch eine Weile zu tun hier. Wünsche trotzdem noch einen schönen Sonntag!«
»Danke ebenfalls! War nett, Sie kennengelernt zu haben, Herr Kollege.«
»Ganz meinerseits«, Angermüller kramte in seinem Portemonnaie. »Hier ist meine Karte – falls Sie mich mal in der Bezirkskriminalinspektion Lübeck besuchen wollen!«
Sabine Zapf schaute interessiert auf das Papier mit der schleswig-holsteinischen Landesflagge und sie gaben sich die Hand.
»Wer weiß, vielleicht komm ich wirklich mal vorbei. Schöne Geburtstagsfeier noch und gute Heimfahrt!«
Das Team von Steinleins Landgasthof war gut eingearbeitet und funktionierte auch ohne die Chefin perfekt, wenn auch allen Mitarbeitern der Schock über die Festnahme Paolas in den Knochen saß. Als Angermüller am frühen Abend aus Coburg zurückgekommen war, hatte man die Kaffeetafel natürlich längst aufgehoben. Er bedauerte es nicht, denn noch war ihm sein Magen wie zugeschnürt und in seinem Kopf meldete sich immer wieder ein pochender Schmerz. Die Geburtstagsgesellschaft im Victoria & Albert-Salon, zu der noch eine Reihe Onkel und Tanten, Cousinen und Cousins gestoßen waren, begrüßte ihn freudig erregt. Man bestaunte und kommentierte sein blaues Auge und fast alle Anwesenden warteten in wohliger Sensationslust auf die Schilderung des spannenden Krimis, der sich vor ihrer Tür zugetragen hatte.
Ihre Hoffnung wurde bitter enttäuscht, denn Angermüller empfand sich überhaupt nicht als heldenhaft und nach Erzählen war ihm schon gar nicht zumute. In ein paar dürren Worten erklärte er, dass Paola verdächtig des Mordes an ihrem Vater in Untersuchungshaft genommen worden war, und das war’s. Er bestellte sich
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