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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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sofort, dass etwas mit der Tür nicht stimmte.
    Sie war gewaltsam aufgestemmt worden.
    Langsam ging sie die Treppe hinauf, griff nach der Klinke und öffnete vorsichtig die Tür. Sie stand auf der obersten Stufe.
    In diesem Augenblick kam ihr ein schmaler, metallgrauer Gegenstand entgegengeflogen. Sie schloss instinktiv die Augen, schaffte es aber nicht, sich zu ducken oder den Arm zu heben.
    Axt , dachte sie, bevor sie den Schlag im Gesicht spürte.
    Sie hörte ein knirschendes Geräusch in ihrem Kopf, und ein brennender Schmerz schoss durch Nasenbein und Stirn .
    Sie hörte Martins Stimme aus weiter Ferne rufen.
    Aber da war ihr Sturz nicht mehr aufzuhalten. Sie fiel rücklings die Treppe hinunter und versank im Schnee.

35
    Der Mörder hatte sich aus dem Schatten der Bäume gelöst, war auf Ethel zugegangen und hatte ihr zugeflüstert:
    »Willst du mit mir kommen? Wenn du jetzt still bist und mir folgst, zeige ich dir, was ich in der Tasche habe … nein, es ist kein Geld, es ist etwas viel Besseres. Komm mit runter zum Wasser, dann bekommst du von mir einen Schuss Heroin, ganz umsonst. Spritze, Löffel und Feuerzeug hast du doch bestimmt dabei, oder nicht?«
    Ethel hatte genickt.
    Joakim war kalt, er schüttelte sich und versuchte, die Traumbilder aus seinem Kopf zu vertreiben. Eine Art Donnergrollen hatte ihn aus dem Schlaf gerüttelt.
    Er sah sich um. Er saß auf der ersten Bank in dem Andachtsraum, Katrines Weihnachtsgeschenk lag auf seinem Schoß.
    Katrine?
    Alles war dunkel. Die Taschenlampe war ausgegangen, und spärliches Licht kam von der einsamen Glühbirne auf dem Dachboden; es schimmerte durch die engen Ritzen in der Holzwand.
    Aber das Grollen? Nicht ein Blitz hatte eingeschlagen – es war der Sturm, der dröhnend über die Küste zog.
    Der Nebelsturm hatte seinen Höhepunkt erreicht.
    Die Steinwände in dem unteren Teil der Scheune blieben standhaft, doch der Rest der Scheune ächzte unter den Windstößen. Die Luft, die durch die Spalten der Wand gepresst wurde, heulte wie Sirenen.
    Er sah zu den Dachbalken hoch und hatte den Eindruck, als würden auch sie zittern. Die Sturmböen, die in Wellen über den Hof rollten, ließen die Holzwände beben und knacken.
    Der Nebelsturm war dabei, die Scheune in Stücke zu reißen. So fühlte es sich zumindest an.
    Aber Joakim meinte auch, noch andere Geräusche hören zu können. Raschelnde Geräusche in Andachtsraum – langsame Schritte über den Holzboden. Unruhige Bewegungen im Dunkeln. Flüsternde Stimmen.
    Die Kirchbänke hinter ihm füllten sich allmählich.
    Er konnte die Besucher nicht sehen, aber er spürte, wie es kälter wurde. Es waren viele, und sie setzten sich.
    Joakim lauschte angespannt, blieb aber ruhig sitzen.
    Dann wurde es ganz still.
    Jemand lief langsam den Gang neben den Bänken entlang. Er hörte vorsichtige Bewegungen in der Dunkelheit, scharrende Schritte einer Gestalt, die alle Bänke passierte und neben seiner Bank stehen blieb. Eine Gestalt mit blassem Gesicht.
    »Katrine?«, flüsterte Joakim, er wagte nicht, sie anzusehen.
    Die Gestalt setzte sich langsam neben ihn auf die Bank.
    »Katrine«, wiederholte er.
    Vorsichtig tastete er im Dunkeln und streifte mit den Fingern eine andere Hand. Sie war steif und eiskalt, als er danach griff.
    »Ich bin jetzt hier«, flüsterte er.
    Er bekam keine Antwort. Die Gestalt senkte den Kopf wie zum Gebet.
    Auch Joakim senkte den Blick. Er sah die Jeansjacke neben sich und flüsterte:
    »Ich habe Ethels Jacke gefunden. Und den Zettel von den Nachbarn. Ich glaube … Katrine, ich glaube, dass du meine Schwester getötet hast.«
    Noch immer keine Antwort.

WINTER 1962
    Da saßen wir nun in der Vorratskammer und starrten einander an, der Aalfischer Ragnar Davidsson und ich.
    Ich war so erschöpft. Der Nebelsturm wütete vor der Tür, und mir war es nur gelungen, einige wenige von Toruns Ölgemälden zu retten, etwa ein halbes Dutzend Bilder, die neben mir auf dem Boden lagen. Die anderen hatte Davidsson ins Meer geworfen.
    Mirja Rambe
    Davidsson hat sich noch einen Schluck eingeschenkt.
    »Bist du sicher, dass du nichts möchtest?«, fragt er.
    Ich presse die Lippen aufeinander, und er nimmt einen großen Schluck. Dann stellt er das Glas auf den Tisch und leckt sich die Lippen.
    Ihm scheinen viele verschiedene und unangemessene Ideen zu kommen, während er mich so ansieht, aber ehe er eine davon wählen kann, spielen seine Innereien verrückt. Zumindest sieht es für mich so aus – er

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