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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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überhaupt nichts.
    Nach uns hat, glaube ich, nie wieder jemand im Waschhaus gewohnt, und auch das Hauptgebäude wurde höchstens in den Sommermonaten benutzt. Die Trauer saß zu tief in den Wänden.
    Wochen später, ich war nach Stockholm gezogen, um auf der Kunsthochschule zu studieren, entdeckte ich, dass ich schwanger war.
    Katrine Mondstrahl Rambe wurde im Jahr darauf geboren, das erste meiner fünf Kinder.
    Du hast die Augen deines Vaters geerbt.

36
    H allo?«, rief Henrik, in der Verandatür stehend. »Ist alles in Ordnung?«
    Das war eine überflüssige Frage, denn der Körper vor ihm lag regungslos im Schnee, mit blutüberströmtem Gesicht.
    Henrik blinzelte verwirrt, das war alles so schnell gegangen.
    Er hatte gemeint, die Brüder Serelius würden draußen herumschleichen. Als die Verandatür geöffnet wurde, hatte Henrik die Axt seines Großvaters, so fest er konnte, geworfen und damit jemanden am Kopf getroffen. Aber mit der stumpfen Seite – nicht mit der Schneide, da war er sich ganz sicher.
    Unschlüssig blieb er in der Verandatür stehen. Im Schein der Hoflaterne sah er plötzlich, dass er eine Frau angegriffen hatte.
    Einige Meter hinter ihr stand ein Mann wie erstarrt im Schneegestöber. Mit großen Schritten stürzte er zu ihr und fiel auf die Knie.
    »Tilda?«, rief er. »Wach auf, Tilda!«
    Sie bewegte ihre Arme und versuchte, den Kopf zu heben.
    In dieser Sekunde bemerkte Henrik, dass die Frau eine dunkle Uniform trug.
    Eine Polizistin. Sie verschwand fast in der tiefen Schneewehe, in die sie gefallen war. Aus ihrer Nase floss Blut.
    Für einen Augenblick schien alles stillzustehen, nur der Schnee fiel unaufhörlich.
    Die Schmerzen im Bauch meldeten sich zurück.
    »Hallo?«, rief er erneut. »Wie geht es Ihnen?«
    Er bekam keine Antwort, der Mann aber hob die Axt hoch und kam auf ihn zu.
    »Lassen Sie das da fallen!«, befahl er Henrik.
    Die Frau im Schnee hustete und wurde dann von einem heftigen Brechanfall übermannt.
    »Was?«, fragte Henrik.
    »Lassen Sie das Ding fallen!«
    Henrik begriff plötzlich, dass der Mann das Küchenmesser meinte. Er hielt es noch immer fest umklammert.
    Er wollte es nicht fallen lassen. Die Brüder Serelius waren irgendwo in der Nähe, er musste sich doch verteidigen können.
    Die Frau hatte aufgehört, sich zu übergeben. Sie führte ihre Hand zum Gesicht und betastete vorsichtig ihre Nase.
    »Wie heißen Sie?«, fragte der Mann am Fuß der Treppe.
    Die Frau hob ihren Kopf und rief etwas, die gleichen Worte, immer wieder. Nach dem vierten Mal verstand er. Sie rief seinen Namen.
    »Henrik!«, rief sie. »Henrik Jansson!«
    »Henrik, lassen Sie das Messer fallen«, sagte der Mann. »Dann können wir uns unterhalten.«
    »Unterhalten?«
    »Sie sind verhaftet, Henrik Jansson«, schrie die Frau, die sich mühsam aufgerichtet hatte. »Wegen schweren Diebstahls, Einbruchs … und Vandalismus.«
    Henrik hörte ihre Worte, aber antwortete nicht sofort, er war zu müde. Er schüttelte den Kopf.
    »Das war ich nicht … das waren Tommy und Freddy«, verteidigte er sich schließlich leise.
    »Was sagen Sie da?«, fragte der Mann.
    »Es waren diese verdammten Brüder«, sagte Henrik. »Ich habe da nur mitgemacht. Mit Mogge war es viel besser, ich wusste doch nicht …«
    Etwas sauste durch Luft, nur wenige Zentimeter an seinem rechten Ohr vorbei.
    Henrik drehte sich um und entdeckte ein asymmetrisches schwarzes Loch in einer der kleinen Verandascheiben.
    War das der Sturm gewesen? Vielleicht hatte der Sturm die Scheibe eingeschlagen. Henriks zweiter verwirrter Gedanke war, dass auf ihn geschossen wurde, obwohl die Polizistin keine Pistole mehr in der Hand hielt.
    Als er jedoch durch den aufwirbelnden Schnee zur Scheune schaute, entdeckte er dort eine Gestalt.
    Eine dunkle Gestalt war im geöffneten Scheunentor aufgetaucht und hatte sich breitbeinig in den Schnee gestellt. Im Licht der Hoflampe sah Henrik, dass die Gestalt einen schmalen Stock in den Händen hielt.
    Nein, das war kein Stock. Es war eindeutig ein Gewehr. Er konnte es nicht erkennen, wusste aber genau, dass es ein altes Mausergewehr war.
    Dort stand ein Mann mit einer schwarzen Strumpfmaske. Tommy. Er rief etwas über den Innenhof, dann zuckte das Gewehr in Tommys Händen. Einmal. Zweimal.
    Diesmal zerplatzten keine Fensterscheiben – aber der Mann, der vor Henrik an der Treppe gestanden hatte, sank mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden.

37
    T ilda musste mitansehen, wie Martin erschossen

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