Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
Vom Netzwerk:
mit Roger und Maria Carlsson im Esszimmer sitzen und trank Kaffee. Ihr Gesprächsthema ergab sich ganz automatisch: wie man alte Höfe, die Wind und Wetter ausgesetzt sind, renoviert und pflegt. Doch eine ganz andere Frage brannte ihm auf den Lippen:
    »Ich würde gerne wissen, ob ihr Geschichten über unseren Hof kennt? Über Åludden?«
    »Geschichten?«, wiederholte Roger Carlsson fragend.
    »Ja, Geistergeschichten oder Legenden«, konkretisierte Joakim. »Katrine erzählte mir, dass sie mit euch im Sommer darüber geredet hat, dass es bei uns spuken soll.«
    Zum ersten Mal an diesem Abend hatte er ihren Namen benutzt – er achtete sehr darauf, nicht zu oft von seiner verstorbenen Frau zu sprechen. Er wollte nicht besessen wirken, er war nicht besessen.
    »Mit mir hat sie nicht über Spukgeschichten geredet«, sagte Roger.
    »Katrine hat mit mir einmal beim Kaffee darüber geplaudert«, sagte Maria. »Sie hatte sich gefragt, ob Åludden einen schlechten Ruf habe.« Sie sah zu ihrem Mann. »Als wir klein waren, haben doch die Alten immer von so einem geheimen Raum auf Åludden geredet, in dem es spuken soll … erinnerst du dich daran, Roger?«
    Ihr Mann schüttelte nur den Kopf – Spukgeschichten gehörten definitiv nicht zu seinen Hauptinteressen, aber Joakim beugte sich interessiert vor.
    »Wo befindet sich dieser Raum denn? Wisst ihr das?«
    »Keine Ahnung.« Roger zuckte mit den Schultern und trank seinen Kaffee aus.
    »Nein, ich weiß es auch nicht«, sagte Maria betrübt. »Aber mein Großvater erzählte mir, dass es dort immer zu Weihnachten spukte. Die Toten kehrten zum Hof zurück und versammelten sich in diesem besonderen Raum. Und dann nahmen sie …«
    »Das ist doch nur Aberglaube«, unterbrach Roger sie und hob die Thermoskanne hoch. »Magst du noch einen Schluck?«

15
    N ackt und schweißnass lag Tilda auf ihrer dünnen Matratze.
    »War es schön für dich?«, fragte sie.
    Martin saß mit dem Rücken zu ihr auf der Bettkante.
    »Doch … das war es schon.«
    Es war Sonntagmorgen. Als er gleich danach aufstand und sich Jeans und Stiefel anzog, hätte Tilda eigentlich sofort ahnen müssen, was sie erwartete. Aber das tat sie nicht.
    Er hatte sich wieder auf die Bettkante gesetzt und sah aus dem Fenster.
    »Ich glaube, das hier geht nicht mehr …«
    »Was geht nicht mehr?«, fragte sie begriffsstutzig.
    »Das hier … alles. Das funktioniert nicht mehr.« Er sah unverwandt aus dem Fenster. »Karin fängt an, Fragen zu stellen.«
    »Worüber denn?«
    Tilda hatte noch immer nicht begriffen, dass sie gerade abserviert wurde. Ausgenutzt und sitzen gelassen – das war klassisch.
    Martin war spät am Freitagabend gekommen, da war noch alles wie immer gewesen. Tilda hatte ihn nicht gefragt, was er seiner Frau gesagt hatte – das tat sie nie. Sie waren in ihrer kleinen Wohnung geblieben, und sie hatte Fischsuppe gekocht. Martin hatte ganz entspannt gewirkt und von seiner neuen Klasse von Polizeischülern erzählt, die soeben mit ihrer Ausbildung begonnen hatten. Einige von ihnen waren begabt, andere weniger geeignet.
    »Aber die kriegen wir auch noch hin«, sagte er.
    Tilda nickte und erinnerte sich an ihre Anfangszeit auf der Polizeischule: Ihre Klasse hatte aus etwa zwanzig Schüler bestanden, die meisten Jungen, ein paar Mädchen nur. Sehr schnell hatten sie ihre Lehrer in drei Typen eingeteilt: die alten Polizisten, die zwar nett waren, aber auch ein bisschen vergreist wirkten, dann die Lehrer, die sie in Rechtskunde unterrichteten und natürlich von der wirklichen Polizeiarbeit keine Ahnung hatten – und schließlich die jungen Dozenten, die hauptsächlich für die Praxis zuständig waren. Die arbeiteten im Außendienst und hatten spannende Geschichten zu erzählen, sie waren die großen Vorbilder. Martin Ahlquist war einer von ihnen gewesen.
    Am Samstag waren sie mit Martins Wagen bis zur nördlichsten Bucht der Insel gefahren. Tilda war seit ihrer Kindheit nicht mehr dort gewesen, konnte sich aber sehr gut an das Gefühl erinnern, am Ende der Welt zu stehen. Es war November, und eiskalte Winde fegten vom Meer über das Land. Auch der Leuchtturm war verlassen. Beim Anblick des Langen Eriks, des kalkweißen Turms, der sich über der Bucht erhob, musste sie unweigerlich an die zwei Leuchttürme von Åludden denken. Eigentlich hatte sie vorgehabt, mit Martin den Todesfall von Åludden zu diskutieren, ließ es aber bleiben – dieses Wochenende hatte sie frei.
    Sie aßen spät zu

Weitere Kostenlose Bücher