Nebelsturm
genug mit dem Hof zu tun. Und wir sind ja auch ziemlich beschäftigt.«
»Erinnern Sie sich, ob sie Besuch bekommen hat?«
»Besuch?«, wiederholte Maria. »Es waren ein paar Handwerker da, so im Spätsommer.«
»Aber ist zum Beispiel ein Boot vorbeigekommen?«, fragte Tilda. »Ich meine bei Åludden?«
Maria strich ihre Ponyfransen aus der Stirn und schien nachdenken zu müssen.
»Nein, nicht soweit ich mich erinnere. Aber von hier aus hätten wir das bestimmt nicht sehen können. Die Sicht ist ja ziemlich versperrt.«
Sie zeigte auf das Fenster im Nordosten des Hauses, und Tilda verstand Maria Carlsson sofort – die Aussicht auf die Leuchttürme war von der großen Scheune auf Åludden verdeckt.
»Aber vielleicht haben Sie irgendwann einmal ein Boot gehört?«, versuchte sie. »Motorengeräusche?«
Maria schüttelte den Kopf.
»Natürlich hört man schon mal Schiffe vorbeituckern, wenn der Wind günstig steht, aber darüber mache ich mir in der Regel keine weiteren Gedanken …«
Als Tilda wieder auf dem Hofplatz neben ihrem Wagen stand, warf sie einen letzten Blick nach Süden. Eine kleine Siedlung aus roten Bootshäusern befand sich an der Spitze der nahe gelegenen Landzunge, aber auch dort war keine Menschenseele zu sehen.
Und kein einziges Boot schob sich küstennah durchs Wasser.
Sie stieg wieder ins Auto und musste sich eingestehen, dass es an der Zeit war, diese Mordermittlung einzustellen, die eigentlich nie eine solche gewesen war.
Als sie wieder im Polizeirevier ankam, legte sie als Erstes die Akte mit ihren Notizen zu dem Fall Katrine Westin in die Ablage mit der Aufschrift KEIN VORRANG.
Sie hatte vier ordentliche Papierstapel auf ihrem Schreibtisch liegen und etwa ein halbes Dutzend gebrauchter Kaffeebecher. Hans Majners Schreibtisch am anderen Ende des Raumes hingegen war vollkommen leer. Zwischendurch überkam sie der Impuls,ihm einen großen Packen Verkehrsberichte auf den Tisch zu knallen, aber das verging wieder.
Nach getaner Arbeit zog Tilda ihre Polizeiuniform aus, stieg in ihren kleinen Ford, fuhr auf Öland umher und hörte dabei die Aufzeichnungen ihrer Gespräche mit Gerlof an. Ihre Stimmen waren meistens sehr gut zu verstehen, und sie bemerkte auch, dass Gerlof mit der Zeit immer routinierter wurde.
Auf einem dieser Streifzüge entdeckte sie den Lieferwagen, von dem Edla Gustafsson erzählt hatte.
Sie hatte sich auf den Weg nach Borgholm gemacht, war durch die Gassen und Straßen gefahren und hatte schließlich die Brücke überquert und dann Kalmar angesteuert. Dort gab es noch viel mehr Gassen und Straßen, mehrere große Parkplätze und Parkhäuser, und sie fuhr an Hunderten von Fahrzeugen vorbei, ohne einen einzigen schwarzen Lieferwagen zu entdecken. Es war vollkommen aussichtslos.
Eine halbe Stunde später hörte sie im Radio, dass auf der Trabrennbahn von Kalmar ein Pferderennen stattfand. Sie ließ das Zentrum hinter sich und fuhr dorthin. Die eingezäunte Rennstrecke war von den Scheinwerfern hell erleuchtet. Im Inneren der Anlage konnte man Geld verlieren und gewinnen, aber Tilda rollte mit ihrem Ford langsam über den Parkplatz und überprüfte systematisch die dort abgestellten Fahrzeuge.
Plötzlich trat sie auf die Bremse.
Sie hatte soeben einen Lieferwagen passiert. KALMAR SCHWEISSEN & ROHRE stand auf den Seiten, und er war schwarz.
Tilda notierte sich die KFZ-Nummer und suchte sich einen freien Parkplatz. Dann rief sie in der Zentrale des Landespolizeiamtes an und bat um die Überprüfung eines Nummernschildes. Sie erfuhr, dass der Wagen einem siebenundvierzigjährigen Mann aus Helsingborg gehörte, der keinen einzigen Eintrag im Strafregister hatte. Der Lieferwagen war noch nie in ein Verkehrsdelikt verwickelt gewesen und außerdem seit August abgemeldet.
Ach so, dachte Tilda. Dann ließ sie noch die Firma KALMAR SCHWEISSEN & ROHRE überprüfen, aber die existierte überhaupt nicht.
Tilda schaltete den Motor aus und wartete.
»Doch, Ragnar hat bei Åludden ab und zu gefischt, obwohl es verboten war«, hörte sie Gerlof sagen. »Und er hat nicht selten in fremden Gewässern gefischt, aber das hat er natürlich immer geleugnet …«
Fünfzig Minuten später strömten die Besucher aus dem Eingang der Trabrennbahn. Zwei kräftige junge Männer, beide etwa fünfundzwanzig, blieben neben dem schwarzen Lieferwagen stehen.
Tilda zog sich die Kopfhörer aus den Ohren und setzte sich auf.
Einer der Männer war größer und breitschultriger als der
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