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Nebeltod auf Norderney

Nebeltod auf Norderney

Titel: Nebeltod auf Norderney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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mächtig abgenommen«, sagte er zu Onno Everts.
    »Das meiste haben wir hinter uns. Ich werde wohl das Schuljahr wiederholen müssen«, sagte er. Er trug auch bei der Kälte seine Jeans und einen dunkelblauen Rollkragenpullover. Sein Gesicht war spitz und erinnerte mit der spitzen Nase an einen Habicht, der wachsam sein Umfeld beobachtet.
    »Das war ja auch genug, was dir aufgebürdet wurde«, sagte der Klassenkamerad. »Ein großes Bier«, bestellte er bei der Kellnerin, die an den Tisch trat.
    »Bringen Sie mir auch einen Corvit!«, rief Onno Everts ihr hinterher.
    »Und deine Schwestern?«, fragte der Mitschüler.
    »Die halten sich tapfer. Mein Onkel und meine Tante sind in Ordnung«, antwortete Onno Everts.
    Sie hatten sich viel zu erzählen. Onno fühlte sich verantwortlich für seine Schwestern und deren Zukunft. Sicherlich stand er nicht alleine da. Eigentlich war das der erste Abend, an dem er, ohne an irgendetwas denken zu müssen, mit einem Freund entspannt in einer Kneipe saß und Bier trank. Er prostete seinem Freund zu, schluckte den klaren Schnaps und bestellte die nächste Runde.
    Wohlige Wärme umfing sie. Sie waren so im Gespräch vertieft, dass sie nicht mitbekamen, wann Gäste gingen und kamen. Als der Freund schließlich auf die Mädchen der Klasse zu sprechen kam und ihm herzliche Grüße von Daja Bruns bestellte, erfasste ihn eine leichte Röte. Er freute sich darauf, sie wiederzusehen.
    Es war kurz nach 9 Uhr, als Onno zahlte. Er schaute durch das Fenster in die tanzenden Schneeflocken.
    »Und dräut der Winter noch so sehr …«, sagte er, als er seinen Anorak überzog.
    »… es muss doch Frühling werden«, setzte der Klassenkamerad hinzu und klopfte ihm auf die Schulter.
    Onno Everts verließ den »Seestern«, stieg auf sein Fahrrad und radelte in Richtung Esens bis zur Kreuzung, bog dann nach Bensersiel ab. Im dichten Schneetreiben sah er plötzlich einen Sattelschlepper, der seinen Weg kreuzte. Das Fahrzeug rutschte.
    Onno Everts griff in die Luft und spürte einen furchtbaren Schlag gegen den Kopf. Er flog zu Boden und fühlte nichts mehr. Blut floss aus seiner Nase und seinem Mund. Es färbte den Schnee rot. Niemand war in der Nähe, der ihm zu Hilfe hätte eilen können. Unentwegt tanzten die Flocken vom abendlichen Himmel.
    Als Onno Everts um 22 Uhr noch nicht zu Hause war, wurden seine Schwestern, die ihn telefonisch erreichen wollten, unruhig und holten Onkel Hinni vom Fernseher. Auf ihn war Verlass, das hatte er gerade in der schweren Zeit bewiesen. Die Mädchen ängstigten sich. Der Onkel rief kurz entschlossen den Landarbeiter Freese an. Der setzte sich hinter das Steuer seines Wagens und fuhr im Schneetreiben zum Polderhof. Dort stand er vor verschlossenen Türen. Er verschaffte sich Zugang zum Haus und rief die Polizei in Neuharlingersiel an.
     
     
    Am Sonntagnachmittag verließen Heide Heynen und Dodo Wilbert mit dem Schiff um 17 Uhr die Insel Baltrum. Sie hatten im Café zu Mittag gegessen und hatten sich nach einer Tasse Kaffee von Heides Eltern verabschiedet.
    Das Wochenende in der Wohnung von Dodo hatte ihre Erwartungen mehr als erfüllt. Sie hatten sich im Hinblick auf die bevorstehende Trennung an Küssen berauscht und sich mehrmals geliebt und sich dabei hoch und heilig die Treue versprochen.
    Dodo befand sich bereits wieder im Einklang mit seinem Gewissen und lebte in der Zuversicht, dass, falls er tatsächlich beim Einschwenken auf der Kreuzung am Ortseingang von Neuharlingersiel einen Fahrradfahrer verletzt haben sollte, es keine weiteren Zeugen gab, die ihm gefährlich werden konnten. Er war sich darüber im Klaren, dass er trotz allem Bedauern nun nichts mehr an der Tatsache ändern konnte. Schuld an diesem tragischen Vorfall hatten seine Übermüdung und vor allem das mistige Wetter getragen.
    Heide Heynen war glücklich. Sie saß auf dem Schiff eng an ihn geschmiegt. Er küsste sie und schaute auf die kalte, ruhige Nordsee. Nach der Überfahrt gingen sie zum Wagen und fuhren los.
    Um 18 Uhr setzte Dodo seine Heide in Lütetsburg an der Wohnung ab. Er küsste sie zum Abschied und fuhr nach Wilhelmshaven. Er musste am Montag bereits um 6 Uhr zum Laden bei der Brauerei in Jever sein.
    Er gönnte Heide die Reise. Mit peniblen, besserwisserischen Lehrern zu verreisen war sowieso nicht sein Ding. Es kamen bessere Zeiten auf sie zu. Obwohl er gelernter Bauhandwerker war, machte er sich nicht bange, das Café auf Baltrum zu führen. Mal sehen, was die Zukunft so

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