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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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sehr ich mich an Deutschland gewöhnt habe, so schön Georgia auch um diese Jahreszeit ist. Hier ist alles so sauber, so ordentlich. Und keine Armut«, fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu, als wäre ihr die Bemerkung peinlich. »Ich habe das Gefühl, dass es seit unserem letzten Besuch noch schlimmer geworden ist. Seit meinem letzten Besuch«, korrigierte sie sich dann. »In deiner Welt ist Amerika ja reich.«
    Ich nickte bloß und verzichtete darauf, diese Klischeevorstellung zu korrigieren. Dass der Reichtum Amerikas in meiner Welt nur einem Teil der Bevölkerung zugutekam, wäre recht kompliziert zu erklären und passte ganz sicherlich nicht in diesen Augenblick, in dem Carol mir viel näher war als vor ihrer Abreise. Dann begann ich zu erzählen, berichtete von den Träumen, den Männern im Geräteschuppen, meiner Reise nach Oxford, meinen Bastelarbeiten mit Minikameras und Recordern und schließlich den beiden Treffen mit Dupont. Als ich fertig war – ich hatte beinahe pausenlos geredet, Carol hatte mich nur wenige Male unterbrochen, wenn sie etwas nicht verstanden hatte –, lag München bereits ein gutes Stück hinter uns und wir rollten auf der Autobahn am Tegernseer Tal vorbei. Carol lehnte mit halb geschlossenen Augen am Fensterholm, und ich hatte den Eindruck, dass sie eingeschlafen war. Kein Wunder nach dem langen Flug , dachte ich und hielt die nächsten paar Kilometer den Mund.
    »And you trust that guy, that Obelix?«, kam es plötzlich von Carol. Sie war offenbar wirklich eingenickt und glaubte sich noch in Savannah. Ich kannte das. Als wir in Washington gelebt hatten, hatten wir zu Hause in einer Mischung aus Deutsch und Englisch miteinander gesprochen und ich hatte sogar in englischer Sprache geträumt.
    »Ganz sicher nicht«, antwortete ich auf Deutsch, um sie in die Realität zurückzuholen. »Er heißt auch nicht Obelix, sondern Obertix und zieht aus naheliegenden Gründen Dupont vor.« Sie starrte mich einen Moment lang mit beinahe glasigem Blick an und musste dann lachen. »Ja, ich glaube, das hast du gesagt. Du vertraust ihm also nicht? Warum eigentlich? Was du da alles von ihm erzählt hast, klingt doch ganz plausibel. Ich meine, wenn man sich einmal damit abgefunden hat, dass es parallele Welten gibt …«
    »Ja, plausibel klingt es schon, und zum großen Teil ist es das auch. Aber vergiss nicht, dass der Mann seine eigenen Interessen vertritt. Und die seiner Leute natürlich, der Leute, die ihn hierher geschickt haben. Als ›Diplomaten‹, dass ich nicht lache! Ein Spion ist der Kerl, ein Spitzel – zugegebenermaßen ein recht sympathischer, das gebe ich ja zu. Du wirst ihn ja selbst kennenlernen. ›Das ist der Anfang einer wunderbaren Freundschaft‹, habe ich zu ihm gesagt, und er wusste sofort, dass das ein Zitat aus Casablanca ist. Ich glaube nicht, dass das ein Film ist, den man hier kennt, oder sollte ich mich da täuschen?«
    »Casablanca?« Carol sah mich fragend an. »Müsste ich den kennen?« Sie kannte sich in Filmen eigentlich recht gut aus, und wir waren in früheren Jahren auch oft zusammen ins Kino gegangen.
    »Nein, ich denke eben nicht. Das ist ein Film mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann …«
    »Die kenne ich natürlich. So ein hagerer Typ, kurz gestutztes Haar, ständig Zigarette im Mund …«
    »Ja, schon, aber der Film, von dem ich spreche, spielt, wie der Name sagt, in Casablanca, einer marokkanischen Küstenstadt, die damals zu Frankreich gehörte, das im Zweiten Weltkrieg teilweise von den Nazis besetzt war …«
    Diesmal fiel sie mir ins Wort. »Verstehe, da wir keinen Zweiten Weltkrieg hatten, gab es auch diesen Film nicht.«
    »Eben. Dass er auch in den Feinheiten meiner Welt Bescheid weiß, stimmt mich nachdenklich. Der eigentliche Grund, weshalb ich ihm und seinen Leuten nicht über den Weg traue, ist allerdings, dass er ja selbst zugegeben hat, dass diese so genannten Gäler ihre Nachbarwelten – wer weiß, wie viele das sind – ausnutzen, um ihre eigene Zivilisation voranzubringen. So wie er das geschildert hat, haben die viel zu wenige Menschen und sind auch viel zu rückständig, um zu den Errungenschaften der Zivilisation aufzuschließen. Aber das wollen sie natürlich. Sie haben, immer vorausgesetzt, der Teil von Duponts Darstellung stimmt, schließlich vor zweihundert Jahren noch in der Bronzezeit gelebt. Und heute läuft dieser Dupont elegant gekleidet hier herum, spricht genauso gut Deutsch wie du und ich, isst mit Messer und Gabel und

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