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Nebenwirkungen (German Edition)

Nebenwirkungen (German Edition)

Titel: Nebenwirkungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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verlegen lächelnd:
    »Man liest schließlich so einiges.«
    Samanthas PC piepste; neue Mail. Stirnrunzelnd las sie die kurze Meldung mit dem unbekannten Absender.
     
    Wenn Sie Wert auf das Leben Ihres Mitarbeiters Bastien Prévost legen, veröffentlichen Sie den beiliegenden Artikel ungekürzt und unverändert in Ihrer nächsten Ausgabe. Keine Polizei.
     
    Unter dem Text hatte man ein offensichtlich aktuelles Photo des geknebelten und gefesselten Juniors beigefügt. Samantha zeigte Robert die erpresserische Mail und begann einmal mehr wie eine gefangene Raubkatze vor den Panoramafenstern auf und ab zu tigern.
    »Anonym, natürlich«, murmelte Robert. »Ihre IT-Spezialisten sollten versuchen, den Pfad zurückzuverfolgen.«
    »Wird wohl ins Nirwana führen«, knurrte Samantha wütend. »Den Einzigen, der eine Chance hätte, etwas herauszufinden, sehen Sie auf diesem Photo. Verflucht!« Sie hieb mit der Faust auf den Tisch, dass Robert verblüfft zurückschreckte und rief ihre IT-Abteilung an. Eine Viertelstunde später war zumindest sicher, dass die Beilage gefahrlos geöffnet werden durfte, und sie konnten den erwähnten Artikel lesen.
    »Dieses Machwerk kann ich unmöglich veröffentlichen«, stöhnte Samantha, als sie die dreißig Zeilen gelesen hatte. »Lächerlich; ein einziges kritikloses Loblied auf die neuste Errungenschaft der synthetischen Biologie unter besonderer Berücksichtigung der patentierten Malariabekämpfung der Firma BiosynQ.«
    Robert nickte. »Wie wir vermutet haben«
    »Wie Sie vermutet haben«, korrigierte sie mürrisch. Bei allem Ärger sah Robert doch noch einen Hoffnungsschimmer, denn sie hatten Zeit gewonnen. Zeit bis zum Erscheinen der nächsten Ausgabe des Magazins. Er versuchte, sie zu beruhigen und sagte in möglichst sachlichem Tonfall:
    »Die Entführer werden sich bald wieder melden. Falls sie das telefonisch tun, hat die Polizei wenigstens die Chance, den Anruf zurückzuverfolgen.«
    »Keine Polizei«, entgegnete sie gedankenverloren. Er schüttelte den Kopf.
    »Die Polizei ist längst involviert, ohne dass die Entführer davon erfahren haben, Samantha. Glauben Sie mir, unsere beste Option ist, die Polizei auf dem Laufenden zu halten.« Sie schaute ihn lange prüfend an und nickte schließlich wortlos.
     
    Das Gespräch hatte Amélie regelrecht erschüttert. Sie hatte Angst; Angst um Heike, um Bastien, dem sie längst verziehen hatte und nun auch noch um sich selbst. Die Beinahe-Katastrophe der vergangenen Nacht und die eindringliche Warnung des Professors waren ihr dermaßen in die Knochen gefahren, dass sie zitterte und sich zeitweilig kaum auf den Beinen halten konnte. Nichts wie weg hier , dachte sie, und ihre Gedanken überschlugen sich bei der Vorstellung, wo und wie sie die nächsten Tage verbringen sollte. Ein Hotel kam nicht in Frage. Sie konnte sich nicht vorstellen, sich tagelang in einem muffigen Zimmer zu verkriechen. Sie mochte es drehen und wenden, wie sie wollte, aber es gab nur eine vernünftige Alternative, ihre Schwester.
    Die große Schwester machte mit ihrem etwas einfach gestrickten Mann, der kleinen Thea, dem ach so kinderlieben Neufundländer und dem makellosen Vorgärtchen penetrant auf glückliche Familie. Aber ihr Häuschen stand im nahen Ladenburg und sie waren sozusagen unsichtbar. Amélie wollte schon zum Telefonhörer greifen, als sie zurückzuckte, als hätte sie ein glühendes Eisen angefasst. Nein, sie würde sich nicht verraten; sollten die doch die Telefone abhören, bis sie schwarz wurden. Sie packte kurzerhand alle Auswertungen der letzten Testreihen, die Chromatogramme, Spektrogramme und die letzte Version des Untersuchungsberichts in ihre Tasche und eilte mit dem Handy am Ohr in die Tiefgarage. Erst als sie die Landstraße bei Schriesheim verließ und einsam nach Westen in Richtung der alten Römerstadt brauste, fühlte sie sich einigermaßen sicher.
An Bord der Crown of the Seas
     
    Auch wenn er immer wieder auf den gemütlich trottenden Onkel Tom warten musste, ließ Oliver es sich nicht nehmen, jeden Morgen ein paar Runden mit dem alten Herrn zu joggen. Samanthas Mutter hatte anfangs die Welt nicht mehr verstanden und ihrem Erstaunen durch bissige Bemerkungen Luft gemacht, als ihr Tom plötzlich auf die irrwitzige Idee kam, jeden Tag in luftiger Höhe ums Schiff zu rennen. Seine bisherigen Sportarten gehörten eher zur Kategorie, die man in geschlossenen Räumen ausübte, wie Jahrzahlkegeln und gelegentlich gut geölte Dartpfeile

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