Nebenwirkungen (German Edition)
denn Amélie war ein notorisches Mauerblümchen. Heike schmunzelte beim Gedanken an ihr beinahe hysterisch besorgtes Gebaren während seines Spitalaufenthalts.
»Deine Sorgen möchte ich haben«, seufzte sie müde und machte sich wieder an die Arbeit. Sie hatte sich seit Stunden im Innersten ihres Hochsicherheitslabors eingeschlossen und brütete über den höchst alarmierenden Hinweisen auf Nebenwirkungen ihrer synthetischen Gensequenz. In ihren diskret durchgeführten Versuchsreihen mit den infizierten Blutproben hatte sie inzwischen eindeutig nachweisen können, dass sie gefährliche Vektoren produzierten, die relativ leicht von Mensch zu Mensch übertragbar waren. Da es sich um neuartige, synthetische Vektoren handelte, die in der Natur sonst nicht vorkamen, durfte sie weitere Übertragungswege nicht mehr ausschließen. Die letzten Proben deuteten gar darauf hin, dass allgemein Warmblüter betroffen waren, eine Übertragung vom Menschen auf Tiere und umgekehrt also durchaus möglich schien.
Das Spital in Südafrika, von dem sie die Blutproben erhalten hatte, war inzwischen zur Sicherheitszone erklärt und abgeriegelt worden, wie Katie berichtet hatte; eine moderne Form von Siechenhaus. Heike verstand die radikale Maßnahme dieser Leute, denn die Krankheit war offensichtlich hoch ansteckend und es gab keine wirksame Therapie, also blieb nur die konsequente Isolierung der Patienten. Sie schob die bange Frage, was wohl Kyle unbewusst zur Ausbreitung der Seuche beigetragen hatte, missmutig beiseite und vertiefte sich in die Analyse der Ursachen.
Draußen war es dunkel. Kein Mondschein erhellte die Waldlichtung, in der sich das Labor befand, da schwere Regenwolken schon seit Mittag den Himmel bedeckten. Das Gebäude machte mit seinen dunklen Fenstern einen verlassenen Eindruck, denn vom gleißend hellen Licht der innersten Zone drang nichts nach draußen. Im Schritttempo und mit Abblendlicht näherte sich ein weißer Ford Transit mit der unübersehbaren Aufschrift eines Autoverleihs der Umzäunung. Das Fahrzeug hielt vor dem Tor zur Einfahrt an, Motor und Licht wurden ausgeschaltet und eine Weile rührte sich nichts. Dann stiegen zwei Männer in dunkler Kleidung aus. Einer rüttelte kurz am Tor des Schutzzauns, zückte dann seine schwere Pistole, schraubte den Schalldämpfer mit geübtem Griff auf die Waffe und öffnete das ausgeklügelte Sicherheitsschloss mit zwei, drei trockenen Plopps. Sein Begleiter hatte inzwischen das Material aus dem Wagen geschafft, das sie nun wortlos, wie ein eingespieltes Team, rund um das dunkle Gebäude verteilten. Auf ein stilles Kommando begannen sie systematisch, die Fenster einzuschlagen und Teile des Materials ins Haus zu werfen. Nach wenigen Minuten war der Spuk vorbei, sie stiegen wieder in den Wagen und fuhren sogleich rückwärts zwischen die Tannen am Rand der Lichtung. Der Beifahrer zog ein unscheinbares schwarzes Kästchen, ähnlich einem Mobiltelefon, aus der Westentasche, nickte dem Mann am Steuer zu, gab den einfachen vierstelligen Code ein und drückte die rote Taste.
Der Funkbefehl entzündete alle hochbrisanten Sprengsätze und Brandbeschleuniger gleichzeitig und beinahe lautlos. Umso wirksamer fraßen sich die heißen Phosphorflammen blitzschnell durch alles Brennbare und verwandelten das Gebäude im Nu in einen funkensprühenden, rauchenden Vulkan. Zufrieden mit ihrer Arbeit fuhren die Männer zur Waldstraße zurück.
»Nein, nicht jetzt, Scheiße!«, fluchte der Leiter der Wachabteilung 2 der Heidelberger Berufsfeuerwehr. Er und seine Männer sollten in zehn Minuten abgelöst werden. Dienstschluss, ein kühles Bier und dann ab nach Hause, doch nun, im letzten Moment, musste dieser verfluchte Alarm losgehen. Er blickte auf die Anzeigetafel und erbleichte. Ein X hinter der nervös blinkenden Adresse wäre schon schlimm genug gewesen, aber dieses Objekt war mit drei roten X gekennzeichnet. XXX, höchste Gefahrenstufe, giftiger und tödlicher ging's nicht. Es war das einzige Gebäude dieser Art auf der Gefahrenkarte der gesamten Region Rhein-Neckar bis hinunter nach Mannheim. Noch bevor die Männer richtig begriffen hatten, was das bedeutete, löste das Überwachungsprogramm des Katastrophenschutzes automatisch Großalarm aus. Der Krisenstab wurde alarmiert, der ABC-Schutz der Bundeswehr aufgeboten und die Notfallprozeduren der Polizei liefen an. Die Mannschaft der Wachabteilung 2 rückte im Rekordtempo mit Schutzkleidung aus, während die Telefone der Wache heiß
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