Nebenwirkungen (German Edition)
zu laufen begannen. Es gab wohl keinen unter den Männern des Löschzugs, dem nicht speiübel wurde bei dem Gedanken, was sie in der brennenden Waldlichtung hoch über der Stadt erwartete. Erste Polizeipatrouillen begannen bereits, das Gebiet rund um den Brandherd weiträumig abzusperren, als die Prozession der Tanklöschfahrzeuge heulend und irrlichternd den Abhang hinauf schnaubte. Der gemächliche Feierabend in den Straßen und Häusern der Altstadt wurde jäh unterbrochen durch den drohenden, böse Erinnerungen weckenden Dauerton der Warnsirenen. Die Straßen und Gassencafés leerten sich rasch, als die meist einheimischen Leute begriffen, dass dies keine Übung war.
Das schrille Warnsignal hatte Heike brutal aus ihren Gedanken gerissen. Benommen schaute sie sich um. Kein Rauch, kein ungewöhnlicher Geruch, rein gar nichts deutete auf die Ursache des Alarms hin. Wohl ein Fehlalarm , dachte sie und suchte nach einer Möglichkeit, den markerschütternden Lärm abzustellen. Vergeblich, der Alarm ließ sich von innen nicht unterdrücken. Ihr blieb nichts anderes übrig, als hastig zusammenzupacken und die Sicherheitszone zu verlassen. Verärgert zog sie sich in die Schleuse zurück, schloss die Tür und startete die Dekontaminationsprozedur. Ihre Annahme schien sich zu bestätigen, denn auch außerhalb der Schleuse konnte sie nichts Verdächtiges feststellen, als sie die Tür zur zweiten Hülle öffnete. Rasch streifte sie den Schutzanzug ab, warf ihn in den Reinigungsbehälter, betrat die zweite Schleuse, die zur Außenhülle führte und schloss die Tür.
Das war ihr Verhängnis, denn sobald sich der Öffnungsmechanismus in Gang setzte, wurden die giftigen Dämpfe der brennenden Außenhülle des Gebäudes angesogen und in die Schleusenkammer geleitet. Heike konnte die hohe Konzentration von Kohlenmonoxyd und Kohlendioxyd nicht riechen, doch ihr fiel sofort der stechende Geruch von Stickoxyden auf. Trotzdem reagierte sie zu spät. Sie verlor das Bewusstsein, bevor sie den Notschalter zur Unterbrechung der Prozedur betätigen konnte.
London, Docklands
Robert mutierte allmählich zu Samanthas persönlichem Berater, und er gefiel sich in der neuen Rolle. Jedenfalls saß er schon früh am Morgen nach Bastiens Entführung wieder in ihrem Glashaus hoch über den Docks. Der platt gedrückte Seeigel des Millennium Dome schimmerte grau und nass auf seiner von den schwarzen, trägen Wassermassen der aufgewühlten Themse umflossenen Landzunge. Die trübe Stimmung spiegelte exakt seine düsteren Gedanken. Scotland Yard hatte sich noch nicht wieder gemeldet. Die Polizei tappte offenbar auch im Dunkeln.
»Es ist schon absurd. Wir wissen genau, wer dahinter steckt und weshalb, aber wir können nichts unternehmen«, klagte Samantha grimmig, während sie gedankenverloren mit Bastiens Telefon spielte. »Ich mache mir die größten Sorgen um den Junior. Was wollen die mit seiner Entführung erreichen? Ich fürchte, sie werden ihn umbringen.«
»Das glaube ich nicht, Samantha. Das hätten sie wesentlich billiger haben können«, antwortete Robert mit bitterem Unterton. »Ich denke, sie benutzen ihn als Pfand, um Sie und Ihre Redaktion zu erpressen.«
»Warum melden sie sich denn nicht? Ich glaube, ich verliere langsam die Nerven.« Robert verstand sie nur allzu gut. Er hatte sich schon gefragt, wie lange sie dieser zusätzlichen Belastung noch standhalten würde. Betrübt betrachtete sie das kleine Telefon in ihren Händen und bemerkte mit leisem Sarkasmus:
»Das Einzige, was mir noch von Bastien geblieben ist.« Robert horchte auf.
»Bastiens Telefon? Wie - woher, warum hat er es nicht bei sich?«
»Hab's in seinem Badezimmer gefunden«, antwortete sie mit unschuldiger Miene. Er schüttelte lachend den Kopf.
»Journalisten! Nennt man so etwas nicht Unterschlagung von Beweismaterial unter Kriminalisten? Die Polizei hätte sich doch sicher dafür interessiert.«
»Schon möglich. War einfach eine Reflexhandlung, der Schock, denke ich.« Verlegen grinsend legte sie das Gerät auf den Schreibtisch, als es unvermittelt klingelte, oder genauer, hupte. Sie blickte Robert verblüfft an und entzifferte den Namen auf dem winzigen Display.
»Amélie«, murmelte sie nachdenklich und drückte die Empfangstaste. Bevor sie sich melden konnte, sprudelte ein Schwall französischer Wörter aus dem Hörer. Nur mit Mühe konnte sie den unverständlichen Redefluss der atemlosen Frauenstimme unterbrechen.
»Hallo? Wer spricht dort?« Es
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