Nebenwirkungen (German Edition)
Zweifach betroffen, wie Samantha vermutete, denn sie glaubte nicht daran, dass die Herren über die Schiffskatastrophe informiert waren. Rowley räusperte sich. »Ich denke, wir sollten die Tatsache akzeptieren, dass eine Bedrohung vorliegt und uns geeignete Maßnahmen überlegen.« Er bemühte sich offensichtlich, die Diskussion wieder auf die sachliche Ebene zurückzuführen. David Howell, der CMO, sprach nun Klartext:
»Das heißt, wir brauchen eine eindeutige, schnelle Diagnose, müssen wissen, wie die Krankheit übertragen wird, um sie wirksam einzudämmen, und es muss mit Hochdruck an einem Heilmittel und Impfstoff gearbeitet werden.«
»Das ist natürlich Ihre Domäne«, sagte Robert und nickte dem Beamten freundlich zu. »Wenn Sie mir erlauben, möchte ich doch einen Vorschlag dazu machen.« Er ließ sich nicht von ihren skeptischen Blicken abhalten und begann, seine Vorstellung zu erläutern.
»Wie Ihnen aus der Präsentation bekannt ist, haben in Cambridge bereits erste Untersuchungen zur Diagnose und den Übertragungsmechanismen stattgefunden. Dabei konnten wir auf der ausgezeichneten Vorarbeit des Instituts für Biologie der Universität Heidelberg aufbauen. Ich glaube, wir haben gute Chancen, eine Therapie oder zumindest einen Impfstoff zu finden, wenn die beiden führenden Institute diese Arbeit mit dem nötigen Druck und Ihrer Unterstützung weiter treiben. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Erreger äußerst wandlungsfähig ist und sowohl eine Übertragung von Mensch zu Mensch, als auch von Tier zu Mensch möglich ist. Bis man genaueres weiß, bleibt wohl nichts anderes übrig als strikte Isolation der Betroffenen.«
Er verschwieg die Tatsache, dass sein Kollege den Erreger bereits zweifelsfrei als synthetisches Virus identifiziert hatte, das mit größter Wahrscheinlichkeit ein unerwünschtes Nebenprodukt der Heidelberger Forschungsarbeiten war. Für Schuldzuweisungen war später genügend Zeit, jetzt ging es Robert nur darum, die Aufmerksamkeit der zuständigen Behörden auf die Lösung des gigantischen Problems zu lenken. Sir Gordons Blick wanderte von Robert langsam zu seinen Leuten. Roberts Vorschlag schien ihnen einzuleuchten, doch als erfahrener Politiker hatte der Permanent Secretary seine Bedenken.
»Gut zu hören, dass unser Cambridge einen Schritt voraus ist. Es könnte sicher nicht schaden, weitere Spitzenforscher hinzuzuziehen, doch die Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden hat sich in der Vergangenheit oft als sehr schwierig erwiesen. Bis wir alle bürokratischen Hürden genommen haben, ist die Situation längst außer Kontrolle, fürchte ich.«
»Vielleicht sollten Sie zweigleisig fahren«, entgegnete Robert. »Die Zusammenarbeit der Universitätsinstitute benötigt keinen formellen Segen der Behörden, soviel ich weiß. Andererseits wird die Eindämmung und Bekämpfung der Folgen sowieso eine enge Koordination in ganz Europa erfordern.« Je länger sich der Minister die Diskussion anhörte und über die Tragweite der Probleme nachdachte, desto mehr kam er ins Schwitzen. Eindämmung bedeutete bei einer derart hoch ansteckenden Krankheit praktisch Isolationshaft für hunderte, wenn nicht tausende von braven Bürgern. Familien mussten auseinander gerissen werden. Massive Proteste würden bald einmal in handfeste Kämpfe ausarten. Er wagte nicht, sich die Sekundärfolgen dieser Krise auszumalen. Schwer atmend fasste er schließlich den Ernst der Lage in wenigen markigen Worten zusammen:
»Mein Gott, das ist ein verdammter Krieg, ein biologischer Krieg, und niemand kennt den Feind.« Wie lange wirst du dich wohl noch drehen , dachte Samantha bedrückt, als ihr Blick zufällig wieder das London Eye streifte.
Paris, Technologiepark
Es wurde eng in ihrem großzügigen Büro auf der Teppichetage des BiosynQ Hauptsitzes im Osten von Paris. Die Hiobsbotschaften aus London und Köln hatten ein mittleres Erdbeben ausgelöst an der Spitze der Firma. Mit Hochgenuss hätte Célia die Frau, die sie für diese Schlamperei verantwortlich machte, eigenhändig den Bullen zum Fraß vorgeworfen, wäre nicht ihre eigene Existenz bedroht gewesen. Alexandra hatte endgültig versagt. Ihre zwei Clowns, welche die missglückte Entführung in London inszeniert hatten, waren der Polizei kurz nach Bastiens Befreiung ins Netz gegangen, die Büros in London und kurz darauf in Köln von Dutzenden von Beamten gründlich durchsucht worden. Die besten Anwälte der Firma mussten in einer Nacht- und
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