Nebenwirkungen (German Edition)
langer Pause sagte sie mit belegter Stimme:
»Tut mir leid, Bastien. Ich hatte keine Ahnung. Die Katastrophe scheint in unserem kleinen Landstädtchen noch nicht angekommen zu sein. Gott sei Dank.«
»Also noch nicht wieder in Heidelberg?«
»Nein, ich rufe aus Ladenburg an, aber ich halte es langsam nicht mehr aus in dieser Idylle mitten im Grünen. Zuviel Glück auf einem Haufen, das stumpft ab. Ich muss wieder an echten Problemen arbeiten.« Bastien packte die Gelegenheit beim Schopf. Fieberhaft hatte er überlegt, wie er sein Anliegen formulieren könnte, um sie nicht vor den Kopf zu stoßen.
»Sie ärmste«, lachte er. »Aber Problemlösung ist genau mein Stichwort. Amélie, wir brauchen Ihre Hilfe.« Behutsam begann er, von den unveröffentlichten Hinweisen auf die Ursache der mysteriösen Epidemie zu berichten, die er bei der Arbeit an seinem Artikel gesammelt hatte. Zu seiner Überraschung und Erleichterung fiel sie ihm jedoch bald energisch ins Wort.
»Sie glauben also, dass der Erreger eine Nebenwirkung unserer Versuche sei? Wissen Sie was? Heike und ich haben uns die gleiche Frage immer und immer wieder gestellt.« Und nach kurzem Zögern fügte sie leise hinzu: »Die Antwort ist keineswegs ein klares Nein.« Sie erinnerte sich praktisch an jedes Wort des vernichtenden Berichts zur Analyse der Blutproben von Heikes tragisch verunglücktem Freund und den Toten aus Südafrika. In nächtelangen hitzigen Diskussionen mit Heike hatten sie versucht, eine Erklärung für die beobachteten Phänomene zu finden, ohne Ergebnis. Die letzte These vor dem verheerenden Brand im Labor war, dass möglicherweise eine unentdeckte Fehlfunktion des Syntheseautomaten von BiosynQ zur Bildung von DNA-Sequenzen geführt hatte, die schließlich die hochtoxischen Erreger erzeugten. Die Zeit der Geheimniskrämerei war vorbei, entschied sie und schilderte Bastien ihren Verdacht.
»Das deckt sich mit unseren Vermutungen«, antwortete er nachdenklich. »Wir sind jetzt überzeugt, dass BiosynQ hinter dem Brandanschlag in Ihrem Labor steckt. Die scheinen ja auch in Botswana gründlich aufgeräumt zu haben. Ich frage mich, ob im Fall Marchand nicht ähnliche Spuren beseitigt werden sollten. Mein Bauch sagt mir, dass hier irgendein Zusammenhang besteht.« Amélie lachte verächtlich auf.
»Klar besteht ein Zusammenhang. Er heißt BiosynQ. Die Firma hat sich seit Jahren mit der Automatisierung der DNA-Synthese beschäftigt. Vielleicht war das Vorgängermodell unseres Automaten schon nicht koscher.«
»Das ist es doch!«, rief Bastien aus. »Nur schade, dass keine Beweise mehr vorhanden sind. Ich bin sicher, in Marchands Unterlagen würden wir die finden. Deshalb mussten sie verschwinden.«
»Schon möglich, aber wir haben noch Blutproben, mit denen wir mindestens die Entwicklung unseres Problems mehr oder weniger lückenlos nachvollziehen können.«
»Heißt das, Sie haben alle Proben noch?«
»Klar, die waren im Sicherheitsbereich des Labors. Das Gebäude ist zwar versiegelt, aber das wäre kein Problem für uns.« Bastien spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, als er plötzlich eine Eingebung hatte. Angespannt fragte er:
»Auch beide Proben von Nyack?«
»Der Junge? Ich denke schon. Warum ist das wichtig?«
»Das ist unsere Chance, BiosynQ an die Wand zu nageln«, antwortete er aufgeregt. »Verstehen Sie? Nyack ist das Bindeglied. Er war offenbar schon Versuchskaninchen für Marchand, hat als einer der wenigen überlebt.« Die Aussicht, den verhassten Konzern in den Würgegriff zu kriegen und gleichzeitig der Lösung des dringendsten Problems einen großen Schritt näher zu kommen, beflügelte ihn. Sie mussten Heike mit allen Mitteln davon überzeugen, mit Cambridge zusammen in dieser Richtung weiter zu forschen.
Amélie brauchte er nicht lange zu überreden, doch sie zweifelte, ob Heike überhaupt für ein solches Vorhaben zu motivieren war.
»O. K. Bastien, ich versuche, auf Heike einzuwirken, aber ich glaube nicht, dass sie den Fuß so schnell wieder in ihr Labor setzt.«
»Nicht nötig«, entgegnete er eilig. »Cambridge ist bestens eingerichtet und die Kollegen dort sind begierig darauf, mit Professor Wolff zusammenzuarbeiten. Amélie, Sie sind unsere größte Hoffnung. Überzeugen Sie sie, bitte.«
»Mhm.« Sie überlegte. Wenn die Lage so ernst war, wie Bastien sie schilderte, hatten sie tatsächlich keine Zeit zu verlieren. Sie konnte nicht beurteilen, ob Heike schon wieder bereit war für eine solche
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