Nebenwirkungen (German Edition)
Nebelaktion aufgeboten werden, um das Schlimmste zu verhindern.
Nur durch einen glücklichen Zufall arbeitete Célia an diesem Tag in Paris und glaubte sich vorläufig in Sicherheit. In einer Blitzaktion hatte sie die elektronischen Spuren notdürftig beseitigt und dafür gesorgt, dass die an der Operation Clean Sweep beteiligten Leute mit einer Ausnahme ab sofort nicht mehr zum Konzern gehörten. Sie konnte nur hoffen, dass die großzügigen Abfindungen genügten, sie zum Schweigen zu bringen. Alexandra war zurzeit ihr größtes Risiko. Dank ihrer guten Verbindungen hatte sie Köln zwar noch rechtzeitig vor der Razzia verlassen, doch Célia hatte entschieden, dass auch sie verschwinden musste, und zwar sofort.
Drei Jahresgehälter auf einem Nummernkonto auf den Cayman Islands hatten sie zum Glück schnell überzeugt, die Koffer zu packen. Célia würde Alexandra den Code zum Konto erst liefern, wenn sie auf der Insel eingetroffen war. Die gleiche Prozedur hatte sie für den letzten verbleibenden Mitwisser, Nils Nolte, vorgesehen. Sie musste ihn überzeugen, nicht nach Europa zurückzukehren, doch zuerst sollte Clean Sweep wenigstens in Botswana sauber abgeschlossen sein. Um nicht abgehört zu werden, benutzte sie ihr privates Mobiltelefon für den schwierigen Anruf nach Afrika.
»Was für eine gottverfluchte Scheiße ist das denn?«, wetterte Nils außer sich, als Célia verlangte, nur noch über sie mit BiosynQ zu kommunizieren. Er wusste noch nichts von den neusten dramatischen Entwicklungen, von der Entlassung seiner Leute, und Célia sorgte dafür, dass es auch dabei blieb.
»Beruhigen Sie sich, ist nur eine vorübergehende Sicherheitsmassnahme, um unsere Verbindungen zu den Heidelberger Versuchen nicht unnötig breitzutreten.«
»Was ist das Problem?«
»Es gibt Komplikationen«, antwortete Célia kurz. Sie hatte keine Lust, ihre Scheinargumente weiter zu vertiefen, stand doch Nils immer noch auf ihrer Gehaltsliste. Mit eindringlicher Stimme fuhr sie fort: »Wichtig ist jetzt nur, dass die Operation in Botswana konsequent zu Ende geführt wird.«
»Sagte ich doch schon«, murrte Nils ungehalten.
»Keine Spuren mehr?«
»Keine verwertbaren Spuren mehr.« Aus alter Gewohnheit wurde Célia bei solchen Adjektiven sofort hellhörig. Misstrauisch hakte sie nach:
»Jede Spur ist verwertbar. In Ihrem eigenen Interesse mache ich sie darauf aufmerksam, dass dort nichts und niemand mehr über unsere Aktivitäten Auskunft geben darf. Das Kapitel Botswana muss endgültig geschlossen werden.« Die Leitung blieb stumm. »Haben wir uns verstanden?«
»Klar. Ich weiß, was zu tun ist«, brummte Nils. Célia atmete unhörbar auf.
»Ich melde mich in vierundzwanzig Stunden wieder.«
London, Docklands
Die Ducati hupte auf Bastiens Schreibtisch. Er nahm das Telefon und blickte auf das Display. Amélie!
»Frau Doktor«, rief er erfreut ins Mikrofon.
»Quatsch, Amélie. Ich habe mir große Sorgen gemacht, aber es scheint Ihnen ja wieder blendend zu gehen.« Ihre Stimme weckte lebhafte Erinnerungen an einen sonnigen Nachmittag in Heidelberg. Er wähnte sich wieder auf ihrer alten BMW, ihre schlanke Taille umklammernd, den wundervollen Duft ihres Haars, des Leders, des heißen Öls und der Abgase in der Nase.
»Schön, Ihre Stimme zu hören, Amélie. Machen Sie sich keine Sorgen, mir geht es gut. Ich bin froh, dass Sie in Sicherheit sind. Hier herrscht zurzeit das totale Chaos.«
»Ich weiß, die so genannte Pandemie scheint das einzige Thema auf allen Kanälen zu sein.«
»So genannt?« Bastien war perplex. Wie konnte sie zweifeln? Er schilderte ihr kurz, wie einschneidend sich das Leben in England kaum achtundvierzig Stunden nach der Veröffentlichung des Artikels verändert hatte. Die Panik der Behörden und der Bevölkerung war nahezu mit Händen zu greifen. Atemschutzmasken fand man bereits keine mehr in den einschlägigen Geschäften, Grossanlässe wurden auf unbestimmte Zeit verschoben oder ganz gestrichen, Sportstadien und andere öffentliche Einrichtungen geschlossen. Der Flugverkehr war bereits stark eingeschränkt worden und man begann, rigorose Kontrollen an den Grenzen einzuführen. Bastien erwartete, dass das sonst überbordende Nachtleben der Megacity bald erlahmen würde. Es gab bereits Gerüchte um eine nächtliche Ausgangssperre und allgemeine Reisebeschränkungen.
Schweigend hatte Amélie seiner Schilderung zugehört. Die Dramatik der Lage schien sie völlig überrumpelt zu haben. Erst nach
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