Nebenwirkungen (German Edition)
Vorderpfoten auf ihren Knien anmeldete. »Komm schon rauf, du Schwerenöter, aber wir müssen uns gleich auf den Weg machen.« Seltsamerweise hatte ihr der Kater nach dem ersten Schreck sofort seine Freundschaft angeboten, nachdem sie sich in Roberts Haus einquartiert hatte. Sie schätzte die großzügige Gastfreundschaft des Professors. So konnte sie sich optimal auf ihre Arbeit am Zentrum für synthetische Biologie der Universität Cambridge konzentrieren, sofern Mrs. Carvalho nicht allzu häufig Stockfisch kochte. Die Gelegenheit, eine Weile aus Heidelberg wegzukommen mit der Aussicht, den kapitalen Fehler korrigieren zu können, empfand sie als Geschenk des Himmels. Man hatte sie nicht lange zu dieser Reise nach England überreden müssen.
Während der Tage erzwungener Ruhe nach dem Brandanschlag hatte sie ausreichend Zeit gefunden, über alles nachzudenken. Lange hatte sie sich gegen die Wahrheit aufgelehnt, wollte ihre eigenen Schlüsse nicht akzeptieren, obwohl doch alle Anzeichen nur eine vernünftige Erklärung zuließen. Sie hatte einen fatalen Fehler gemacht. Aus Unachtsamkeit, vielleicht aus falschem Ehrgeiz, hatte sie ihre an sich geniale Entwicklung zu schnell und mit der noch immer äußerst rätselhaften Nebenwirkung auf die Menschheit losgelassen. Sie konnte es drehen und wenden wie sie wollte, doch die Tatsache, dass sie schwerste Schuld auf sich geladen hatte, ließ sich nicht länger leugnen. Sie war alles andere als religiös, und sie hielt zudem nicht viel von theoretischer Ethik, aber ihr wohnte ein untrüglicher Sinn für Gerechtigkeit inne, und der verlangte von ihr, all ihre Anstrengungen nun auf die Korrektur dieses Fehlers auszurichten, das unsäglichen Leid und Leiden, das sie letztlich verursacht hatte, so rasch wie möglich zu lindern und zu beenden. Auf perverse Weise schien ihr gar gerecht, dass ihre Unachtsamkeit auch Kyle hinweggerafft, getötet hatte, was sie selbst am innigsten liebte.
Auf der Herreise musste sie am eigenen Leib spüren, wie ernst die Lage war. Die Grenzen der Britischen Inseln hatte man praktisch geschlossen. Nur wer eines der begehrten Sondervisa vorweisen konnte, wurde durchgelassen. Bereits waren auch städtische Ballungszentren, Großflughäfen und Seehäfen in Deutschland und dem übrigen Europa nur noch mit Spezialbewilligung zu betreten oder zu verlassen. Die internationale Presse berichtete von ähnlich drastischen Maßnahmen in den USA, Asien, Australien und auf dem Schwarzen Kontinent. Bei der Ankunft im Londoner Flughafen Heathrow hatte sich Heike zeitweise in einem ihrer Labors gewähnt, als sie und die wenigen übrigen Passagiere eine rigorose Befragung, Überprüfung und reichlich sinnlose Desinfizierung durch Angestellte in Schutzanzügen über sich ergehen lassen mussten.
»Es wird Zeit, wir sollten gehen.« Robert stand in der Tür und betrachtete schmunzelnd das trügerische Idyll der verträumten Schönen mit dem Biest.
Peter Thornton und sein Team hatten die Versuchsreihen des Vortags bereits ausgewertet, als Robert mit Heike im Institut eintraf, und das Ergebnis dieser Untersuchungen war alles andere als ermutigend. Es gab keinerlei Hinweise auf eine Korrelation zwischen der Veranlagung, tödliche Prionen zu entwickeln und den üblichen Unterscheidungsmerkmalen potenzieller Opfer wie Blutgruppe, Alter, Geschlecht, Hautfarbe und so weiter. Die 3d-Sequenzanalyse der Proben bestätigte lediglich die Stabilität des Genvektors, der ursprünglich von Heikes Malariaversuchen stammte, und zwar über alle untersuchten Zellgenerationen hinweg. Und doch war es eine Tatsache, dass sich in vielen Proben, manchmal erst nach zwei oder drei Generationen, die hoch toxischen Prionen, in selteneren Fällen jedoch nur harmlose Eiweiße oder Peptide abspalteten.
»Das glaube ich nicht«, rief Peter plötzlich, justierte das Spezialmikroskop neu und schaute genauer auf den hochauflösenden Farbbildschirm. »Ich werde verrückt. Schaut euch das mal an!« Sie traten verwundert hinter ihn und blickten ihm über die Schultern. Robert konnte nichts Außergewöhnliches erkennen, nur die aus Publikationen bekannten kontrastreich eingefärbten Zellkern- oder Eiweißstrukturen. Heike jedoch begriff sofort, was hier nicht stimmte.
»Label. Das sind eindeutig Label«, murmelte sie nachdenklich. »Die Blitze, sehen Sie die grünen Blitze, Robert?« Er schaute genauer hin und sah tatsächlich nach einigen Augenblicken ganz schwach grün leuchtende Punkte in
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