Nebenwirkungen (German Edition)
daran gab es kaum Zweifel, dann war ihr Feldversuch gründlich fehlgeschlagen. Die einzig logische Erklärung war, dass die Mücken das synthetische Gen mit der Zeit wieder verloren, oder dass es nach einigen Generationen irgendwie deaktiviert wurde.
»Wir müssen diese Hypothese an unserem Referenzbestand testen«, fuhr Katie fort. Der Referenzbestand war eine kleine Population von Mücken mit synthetischem Gen, die sie in ihrem Labor unter kontrollierten Bedingungen hielten. Wenn nun nach einigen Generationen weniger als 100% dieser Tiere das synthetische Gen hatten, war ihre Annahme bewiesen. Nach knapp zwei Stunden hatten sie die klare Bestätigung. Die synthetischen Gene waren offensichtlich nicht stabil. Ihre Vererbung führte überdurchschnittlich häufig zu Mutationen, die sie unwirksam machten. Es war Zeit für eine längere Diskussion mit Heidelberg. Paul packte die Tabelle mit der neuen Zeitreihe und der Grafik in eine e-Mail und sandte sie Heike an die Universität. Dann wählte er ihre Nummer und schaltete sie auf den Lautsprecher.
»Wir haben ein ernstes Problem, Heike«, begann Paul.
»Das sehe ich«, antwortete sie, bevor er das Problem näher erläutern konnte. Nicht überraschend hatte sie die Grafik bereits studiert und offenbar die richtigen Schlüsse gezogen. »Habt ihr den Referenzbestand untersucht?«
»Ja. Der Befund ist leider positiv. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie wir weiter machen sollen. Wenn es so weitergeht, bekommen wir ein Riesenproblem. Die Zunahme der Krankheitserreger könnte zu einer rasanten Ausbreitung von Malaria führen.«
»Nicht genau das, was wir uns vorgestellt haben«, murmelte Katie ironisch.
Heike hatte die Bemerkung gehört und antwortete gereizt: »Dein Humor in Ehren, aber der hilft uns hier auch nicht weiter. Was sind unsere Optionen?« Alle drei schwiegen eine Weile betreten, bis Paul endlich zusammenfasste, was sie ohnehin schon wussten.
»Tatsache ist erstens, dass unser Versuch gescheitert ist. Ich denke, das lässt sich nicht beschönigen. Zweitens haben wir ein Problem mit wachsenden Mückenbeständen. Meiner Meinung nach gibt es nur eine Möglichkeit: Eindämmung der Mückenplage mit konventionellen Mitteln und dann die Zelte hier abbrechen.«
Im Gegensatz zu Katie war Heike gar nicht einverstanden mit dieser Aussage. Sie würde nicht so schnell aufgeben. Sie war überzeugt, dass ihr Ansatz mit dem synthetischen Gen im Prinzip richtig war und schließlich zum Erfolg führen musste. Vielleicht war ihr Zeitplan etwas zu aggressiv gewesen. Vielleicht hatten sie den Feldversuch etwas zu früh gestartet, doch nicht einmal das wollte sie wirklich glauben. Ihre beiden Wissenschafter schienen nicht klar zu unterscheiden zwischen dem akuten Problem der zunehmenden Bestände und dem Problem der unwirksamen Gene. Heike war sicher, dass das zweite, wichtigere Problem in nützlicher Frist gelöst werden konnte. Dann musste der Versuch mit dem modifizierten Ansatz fortgesetzt werden.
»Wir sollten das Kind nicht mit dem Bad ausschütten«, sagte sie schließlich und bemühte sich um einen ruhigen, sachlichen Ton. »Wir sollten uns ruhig ein paar Tage Zeit nehmen, um die Lage weiter zu beobachten und Lösungen zu suchen. Ich werde unser Modell nochmals unter die Lupe nehmen und den Grund für die häufigen Mutationen suchen. Ihr solltet wie gewohnt weitermachen und die Plasmodienkonzentration im Auge behalten. Wir müssen nicht jetzt schon über einen Abbruch entscheiden.«
Katie warf Paul einen skeptischen Blick zu. Als sie die Telefonkonferenz beendet hatten, machte sie ihrem Ärger Luft.
»Ja, ich bin unbesiegbar!« raunzte sie das Telefon an. »Bin gespannt, welches Wundermittel sie aus ihrem Hut zaubern will. Die Fakten sind doch sonnenklar. Wir sollten hier verschwinden.«
Täuschte er sich, oder war die neue Lage ein willkommener Anlass für Katie, ihren Aufenthalt hier vorzeitig zu beenden? Paul hatte in letzter Zeit den Eindruck, dass seine Kollegin ihre Arbeit hier eher gleichgültig, beinahe widerwillig verrichtete, als wäre sie müde und ausgebrannt. Sie hatten nie darüber gesprochen, doch für ihn war klar, dass ihre Niedergeschlagenheit mit seinem Bericht über das trostlose Dorf zusammenhing. Sie litt wohl mehr als er darunter, dass sie diesen bedauernswerten Menschen, ihren Nachbarn gewissermaßen, nicht wirksam helfen konnten. Jedenfalls müsste man BiosynQ irgendwie dazu bringen können, die Leute zu unterstützen, wenn die Firma
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