Nebenwirkungen (German Edition)
zur Seite zu schieben und hinauszuschauen. Er sah nichts Ungewöhnliches, aber was er hörte, ließ das Blut in seinen Adern gefrieren: Stimmen von Männern. Sie waren überall in der Anlage, zwischen den Häusern, sogar auf den Dächern, wie ihm schien. Er wagte nicht zu atmen und zog sich in die Dunkelheit des Hauses zurück. Tau, sein kleiner Affe, wurde ganz unruhig. Er hatte offenbar auch Angst. Er schien etwas zu wittern, wollte hinaus. Nyack versuchte ihn zu beruhigen. Vergebens; mit einem weiten Satz sprang das Tier auf das Fenstersims und war im Nu verschwunden. Kurz darauf bemerkte der Junge mit Entsetzen, wie jemand die Bretter anhob. Er sah nur noch den Umriss des riesigen Kopfes, als er sich blitzschnell unter dem Tisch versteckte. Zitternd vor Angst wagte er sich nicht mehr zu bewegen, auch als er hörte, wie der Fremde sich wieder vom Haus entfernte. Vor Angst hatte er sich nass gemacht, doch das störte ihn nicht. Er würde sein Versteck nicht mehr verlassen, bis er sicher war, dass die Leute wieder weg waren.
Die Männer hatten ihre Arbeit an den Häusern beendet und sich zum Wagen zurückgezogen, der startbereit etwas abseits stand. Dieser Einsatz war bisher reibungslos abgelaufen, wie ihr Anführer nicht anders erwartet hatte. Das Material, das sie an den Häusern angebracht hatten, würde dafür sorgen, dass in Kürze keine verwertbare Spur einer früheren Tätigkeit in dieser Anlage mehr existieren würde. Da er wusste, dass es in mehr als einem der Gebäude speziell gesicherte Stahlkammern gab, hatte er dafür gesorgt, dass nicht nur konventioneller Sprengstoff eingesetzt wurde. Dieser hätte den Kammern keinen großen Schaden zugefügt. Gehärteter Stahl war ein Fall für die Thermitgranaten, die sie mitgebracht und auf den Dächern positioniert hatten. Einmal gezündet, explodierten und verpufften diese unscheinbaren Kapseln nicht einfach, sondern sie entfachten ein derart heißes Höllenfeuer flüssiger Metalle, dass nichts und niemand es aufhalten konnte. Die 2500 Grad heiße Masse fraß sich wie vernichtende Lava schlicht durch jedes Material hindurch, bevor sie im Erdreich langsam erkaltete.
Einer der Männer klemmte den letzten Draht am Zündgerät fest und wartete auf das Zeichen des Anführers. Als dieser nickte, brach das Inferno los. Gleißende Blitze zuckten in den bis anhin friedlichen, sternenklaren Nachthimmel. Die Erde bebte, Donner grollte, eine gigantische Feuerwalze fegte über die zerrissenen Gebäude, und was einmal eine gut ausgebaute Forschungsstation gewesen war, versank in einer blutroten Staubwolke. Giftig blitzend und zischend fraß sich die höllische Glut der Thermitgranaten durch die Stahlkammern und verdampfte jeden Hinweis auf ihren ehemaligen Verwendungszweck. Der Hummer mit den sechs Männern raste inzwischen mit atemberaubender Geschwindigkeit über das holprige Gelände und war nach kurzer Zeit hinter dem Horizont verschwunden.
»Was war das?«, fragte Katie überrascht, als ein dumpfer Knall und ein leichtes Zittern sie von der Lektüre aufschreckte. Paul sah achselzuckend von seiner Schreibarbeit auf. Bevor er antworten konnte, stürzte Mrs. Umangua, die in der Küche beschäftigt gewesen war, mit aufgerissenen Augen ins Zimmer, fuchtelte mit den kurzen Armen und schrie:
»Feuer, dort!« Sie zeigte in Richtung des Kraters. Sie rannten alle aus dem Haus und sahen den Himmel über dem Hügel beim Krater hellrot flackern.
»Die alte Anlage brennt. Ich gehe nachschauen. Ihr bleibt hier«, sagte Paul mit einer Bestimmtheit, die keine Widerrede duldete. Er schwang sich in den Jeep und raste auf das Feuer zu.
»Wo bleibt auch Nyack so lange?«, fragte Katie plötzlich mit schalem Gefühl im Magen, als sie das Haus wieder betraten. Die Tante des Jungen warf ihr einen verängstigten Blick zu und antwortete halb besorgt, halb ärgerlich: »Der Bengel treibt sich wieder einmal in der Nacht herum. Ich habe ihm schon hundertmal gesagt, dass er vor Sonnenuntergang zuhause sein muss, aber er hört ja nicht auf mich. Ich kann ihm doch nicht dauernd hinterher rennen. Meine Güte, es ist ihm doch hoffentlich nichts zugestoßen. Meinen Sie ...«
Katie beeilte sich, sie zu beruhigen, obwohl sie schlimmes befürchtete. Das Feuer versprach gar nichts Gutes.
Paul stieg aus und starrte fassungslos auf den rauchenden Trümmerhaufen im Scheinwerferlicht des Jeeps. Die Flammen waren bereits am Erlöschen. Geblieben war ein beißender Rauch. Er musste ein Taschentuch mit
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