Nebenwirkungen (German Edition)
fuhr.
Heidelberg
Diesmal konnte Kyle nicht schnell genug in der Universität sein. Die hinreißende Frau Professor war äußerst gut gelaunt gewesen, als sie ihn zurückgerufen hatte, geradezu aufgekratzt. Neckisch, nicht ironisch oder gar zynisch hatte sie auf die Ankündigung seines neuerlichen Besuchs reagiert. Ich kann es nicht erwarten ; die Worte verliehen ihm Flügel. Je näher er jedoch dem zartrosa Gebäude der Neuen Universität kam, desto größer wurden seine Zweifel. Ärgerlich schüttelte er den Kopf, als er durch das säulenbewehrte Tor eintrat. Du benimmst dich wie ein Schuljunge vor dem ersten Rendezvous , dachte er. Vielleicht spielte sie lediglich mit ihm. Er sollte sich besser keine allzu großen Hoffnungen machen.
Als er Heike gegenüber saß, lösten sich seine Zweifel im Nu in Nichts auf. Mit einem warmen Lächeln, das nichts anderes als ehrliche Freude ausdrückte, hatte sie ihn begrüßt. Keck hatte sie sich in ihrem nur knielangen hellblauen Rock auf die Kante des Schreibtischs vor ihn hingesetzt, sodass er nicht wusste, wo er hinschauen sollte.
»Bevor wir zum Geschäftlichen kommen, möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen, dass ich bei der letzten Besprechung so kurz angebunden war.« Er wollte protestieren, doch sie wehrte mit einer leichten Handbewegung ab. Mit einnehmendem Lächeln fuhr sie weiter: »Damit heute nichts schief geht, möchte ich Sie nachher zum Essen einladen, was Sie mit Sicherheit nicht auszuschlagen wagen, nicht wahr?« Kyle war diesem Frontalangriff weiblichen Charmes schutzlos ausgeliefert. Er konnte nur einfältig antworten:
»Nein, natürlich nicht.«
Sie schmunzelte befriedigt und fragte in sachlichem Ton: »Sie möchten also unsere Leute in Botswana besuchen?« Kyle hatte sich vorgenommen, offen mit ihr zu reden. Er berichtete ihr von seinen Vorbehalten gegenüber BiosynQ, von Professor Barnards Entdeckungen und Samanthas Unfall.
»Wir sind ehrlich gesagt ziemlich beunruhigt in der Redaktion. Es scheint, dass BiosynQ nicht mit offenen Karten spielt.«
Heike schaute ihn nachdenklich an und begann, im Zimmer auf und ab zu schreiten. Die Schlussfolgerung des Journalisten erschien ihr durchaus plausibel. Seine Erzählung passte nahtlos zu dem, was sie am Rand der Pressekonferenz in Paris erfahren hatte, und zur mysteriösen Geschichte, die sie von ihren Leuten in Botswana gehört hatte. Andererseits kannte sie selbst nur die makellos funktionierende geschäftliche Seite von BiosynQ. Etwas verunsichert sagte sie schließlich:
»Ich sehe Ihren Punkt, doch ich muss Ihnen sagen, dass meine bisherigen Erfahrungen mit der Firma nur positiv waren. BiosynQ ist eine der renommiertesten Organisationen, die an vorderster Front in unserem Forschungsbereich tätig sind. Die Leute, denen ich dort begegnet bin, machten mir ausnahmslos einen hochprofessionellen Eindruck. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dort Gangster am Werk sein sollen.«
»Hochprofessionelle Gangster vielleicht«, brummte Kyle unhörbar. Dann zuckte er die Achseln und antwortete besorgt: »Wie auch immer. Ich hoffe, Sie haben recht, aber seien Sie vorsichtig.«
»Aber sprechen wir doch von angenehmeren Dingen. Sie haben mich noch gar nicht gefragt, wie es mir geht.«
»Wie geht es Ihnen, Madam?«, fragte er lachend.
»Gut, sehr gut, danke. Ich habe gestern einen unerwarteten Durchbruch bei meiner Arbeit geschafft; bin fast am Ziel.«
»Gratuliere. Welche Art von Durchbruch?«
»Hat mit der Modellierung von synthetischen Genen zu tun, ziemlich kompliziert. Ich habe Grund zu feiern. Sind Sie dabei?«
»Was, jetzt schon – natürlich«, stammelte Kyle. Es war noch nicht fünf Uhr nachmittags, und die fleißige Frau Professor machte Feierabend?
»Sind Sie gut zu Fuß?«, fragte sie mit einem kritischen Blick auf seine Figur. Sein Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Lachend beruhigte sie ihn: »Keine Angst, Sie werden sich nicht überanstrengen. Ich schlage vor, dass wir vor dem Essen ein Stück bergauf wandern. Oben auf der Schlossterrasse hat man einen wunderbaren Blick über die Stadt und den Neckar, und bei diesem Wetter kann man den schönsten Sonnenuntergang erleben.«
Kyle genoss den kurzen Aufstieg an der Seite der Frau, die er seit der ersten Begegnung bewunderte. Sie schien glücklich und zufrieden zu sein. Gelöst und freimütig plauderte sie über ihre Kollegen, verklemmte Studenten und die Stadt, in der sie nun schon bald zehn Jahre lehrte.
»Schauen Sie sich diese
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