Nebenwirkungen (German Edition)
in der Zelle herumsitzt, ist sogar ausgesprochen hoch.« Heike war das klar, doch so leicht ließ sie sich nicht beruhigen. Sie musste Gewissheit haben, und das bedeutete weitere arbeitsintensive Abklärungen.
»Wir müssen herausfinden, wie die Sequenz in dieses Blut gekommen ist. Und ich will weitere Proben aus Botswana. Kannst du dich bitte um die potenziellen Auswirkungen auf Protein- und Nukleinsäuresynthese kümmern? Ich fürchte, die Kombination unserer Sequenz mit dem menschlichen Genom könnte zu toxischen Reaktionen geführt haben.« Amélie schaute sie mit großen Augen an. Heike verlangte hier nichts weniger als die Suche nach der Stecknadel in einem Heuhaufen, ach was, in einem ganzen Haufen von Heuhaufen.
»O. K. aber ...« sagte sie schließlich, wurde aber sofort von Heike unterbrochen.
»Ich weiß, es ist unmöglich, doch es bleibt uns keine Wahl. Und bitte kein Wort zu irgend jemandem.« Sie ließ ihre Assistentin betreten schweigend im Labor zurück und fuhr eilig in die Stadt hinunter. Einerseits fragte sie sich, ob die latenten Schuldgefühle ihre Sinne trübten, andererseits war die Tatsache, dass ihr synthetischer Genvektor in Kyles Erbmaterial nachgewiesen werden konnte, nicht zu leugnen. Wie um alles in der Welt war es möglich, dass so eine Übertragung geschehen konnte, und warum waren nur Kyle und Robert betroffen? Sie rief ihre Mitarbeiter in der alten Mine an.
»Heike? So früh? Sorry, Paul ist noch nicht zurück«, meldete sich Katie.
»Kein Problem. Ich habe einen Wunsch. Kannst du mir bitte so rasch wie möglich Blutproben von euch beiden und allen anderen Personen beschaffen, die sich auf dem Versuchsgelände aufgehalten haben, seit unser zweiter Versuch läuft? Es ist sehr dringend. Wir machen Vergleichstests mit Kyles Blut.« Es war eine Weile still in der Leitung, ehe Katie besorgt fragte:
»Ist etwas geschehen? Was hat das zu bedeuten?«
»Später. Ich bin in Eile. Bitte schickt die Proben per Kurier, first class. Danke.« Sie legte auf und überlegte angespannt, wie sie dem Rätsel gezielt auf die Spur kommen konnten. Unabhängig davon, ob die Übertragung von Genmaterial die Krankheit und letztlich den Tod von Kyle verursacht hatte oder nicht, musste sie dieses Problem lösen, bevor sie das Projekt erfolgreich abschließen konnte. Plötzlich erinnerte sie sich wieder an die Patentanmeldung, die BiosynQ in die Wege geleitet hatte; eine höchst beunruhigende Vorstellung. Eilig schnappte sie den Hörer, wählte Célias Nummer und kam ohne Umstände zur Sache.
»Wir müssen die Patentierung stoppen.« Es entstand eine kurze Pause, doch bevor Célia antwortete, fuhr Heike weiter und erklärte ihr den Sachverhalt. Sie hatte eine kühle Reaktion der BiosynQ-Direktorin erwartet, doch der eisige Ton, in dem sie schließlich antwortete, erschreckte Heike dennoch.
»Ihr Schlussbericht war also gefälscht?«
»Nein, natürlich nicht, die Zahlen stimmen, aber ... «, Célia unterbrach sie:
»Somit ist alles in Ordnung. Es ist ohnehin zu spät. Das Anmeldedossier ist bereits bei der Behörde.« Obwohl das eigenmächtige Vorgehen von BiosynQ vertraglich zulässig war, ärgerte sich Heike maßlos, dass die Firma sie nicht informiert hatte. Ungehalten protestierte sie:
»Die Patentanmeldung muss zurückgezogen werden!«
»Das werden wir nicht tun. Sie haben eben bestätigt, dass Ihr Bericht in Ordnung ist, und mein Mitarbeiter in Botswana berichtet mir ebenfalls, dass die Arbeiten dort erfolgreich abgeschlossen wurden.« Heike explodierte:
»Das ist unverantwortlich! Wir können nicht ausschließen, dass ernste Nebenwirkungen auftreten. Wenn Sie die Sache nicht stoppen, werde ich das tun.« Wütend schmiss sie den Hörer hin, denn sie wusste, dass sie den Prozess nicht mehr stoppen konnte.
Südafrika, Spital Derdepoort
Katie steuerte ihren Jeep zum letzten Mal, wie sie hoffte, über die staubige Straße zur südafrikanischen Grenze. Wie von Heike mit Nachdruck gewünscht, hatte sie Blutproben von sich, Paul und Nyack genommen. Mrs. Umangua mochte sie nicht damit belasten. Einer Eingebung folgend, war sie nun auf dem Weg ins Spital von Derdepoort, wo eine weitere Probe von Nyacks Blut aus der Zeit vor ihrer zweiten Versuchsreihe eingelagert war. Sie betrachtete das Sammeln dieser Proben als ihre letzte Amtshandlung; danach würden sie die alte Mine endlich wieder verlassen. Die exotische Umgebung, die ursprüngliche Natur, die fremdartigen Düfte und das unvergleichliche
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