Nebenwirkungen (German Edition)
fühlte sich unsicher. Wie sollte er dieser Heike Wolff begegnen? Unweigerlich würde er von Kyle sprechen müssen, denn einer der Gründe für seinen Besuch war, etwas über die Ergebnisse der Untersuchungen von Kyles und Roberts Blutproben zu erfahren. Zögernd klopfte er an die Tür ihres Büros, worauf eine angenehme Stimme rief:
»Entrez.« Verblüfft über die französische Begrüßung trat er ein und stand einer schlanken, jungen Dame mit Bubikopf, grünem ›Go Green‹ Logo auf weißem T-Shirt und abgewetzten Jeans gegenüber. Mit ihren weichen Gesichtszügen, dem beinahe scheuen Blick in ihren großen, dunklen Augen wäre sie ein ausgesprochen hübsches Mädchen, dachte Bastien flüchtig, würde sie sich nicht hinter dieser mächtigen Hornbrille verstecken.
»Guten Tag, Bastien Prévost vom Life!-Magazin. Frau Professor Wolff erwartet mich.«
»Ich weiß, aber sprechen Sie ruhig französisch, Monsieur. Ich bin Amélie Dufresne. Frau Wolff lässt sich entschuldigen, sie musste zu einer dringenden Konferenz und hat mich gebeten, sie zu vertreten.« Heike war sehr wohl im Haus, doch nach Kyles Tod und den neusten Entdeckungen war sie nicht bereit zu weiteren Interviews. So hatte sie ihre Assistentin mehr oder weniger dazu verknurrt, für sie einzuspringen.
»Heike hat die abschließenden Resultate unserer Versuchsreihe in Botswana für Sie zusammengestellt«, sagte Amélie und überreichte Bastien ein dickes Dossier. »Ich schlage vor, das mit Ihnen durchzugehen, damit ich allfällige Fragen gleich beantworten kann.« Bastien studierte die Unterlagen, während sie ihn mit unverhohlener Neugier beobachtete. Sein bescheidenes, fast schon etwas unsicheres Auftreten gefiel ihr. Eine gewisse Seelenverwandtschaft zwischen ihnen beiden war nicht zu leugnen, und die gemeinsame Sprache trug wohl nicht unwesentlich dazu bei, dass sie sich in seiner Gegenwart wohl fühlte. Sie hätte gerne mehr über den anziehenden Landsmann erfahren, doch ganz im Gegensatz zu ihrer Schwester war sie ein ausgemachter Komplexhaufen, wenn es um das andere Geschlecht ging. Gespräche über Themen außerhalb ihres Arbeitsbereichs endeten meist schon, bevor sie richtig begonnen hatten. Eine ungezwungene Unterhaltung betrachtete sie als unverbindlichen Smalltalk und somit sinnlose Zeitverschwendung. Nein, es fiel ihr wirklich nicht leicht, mit einem netten jungen Mann ins Gespräch zu kommen. Unvermittelt riss sie Bastiens Frage aus der Grübelei.
»Woher kommen Sie, Madame?«
»Mademoiselle«, antwortete sie ohne nachzudenken und errötete sogleich, als ihr bewusst wurde, was sie eben gesagt hatte. Sie musste ihm nun wirklich nicht auf die Nase binden, dass sie nie verheiratet gewesen war. Sofort versuchte sie, die Scharte auszuwetzen und fuhr weiter: »Pardon, Amélie, nennen Sie mich einfach Amélie.« Dumme Kuh , dachte sie ärgerlich und hatte das Gefühl, gleich dunkelrot anzulaufen. Jedes Mal geschah das. Ein einfacher Patzer genügte nicht; es musste auch noch ein peinlicher faux pas folgen. Sie ahnte nicht, dass Bastien ähnliche Probleme hatte. Seine Reaktion überraschte sie daher völlig. Statt überlegen zu grinsen schluckte er leer, hüstelte und stammelte schließlich verlegen lächelnd:
»Äh - Bastien - bitte. Ich komme übrigens ursprünglich aus Lyon, habe aber die ganze Studienzeit in Paris verbracht.«
»Reims. Ich bin in einem Vorort von Reims aufgewachsen«, antwortete sie endlich. »Ein echtes Landei.« Patzer Nummer drei, dachte sie und gab es auf, sich zu ärgern. Sie sollte einfach schweigen. Er lachte und widmete sich wieder dem Bericht. Die paar Fragen, die er noch hatte, waren schnell beantwortet, so musste er letztlich nun doch das heikle Thema der Blutproben ansprechen. In diesem Augenblick dankte er der Vorsehung, dass er nicht Heike Wolff gegenüber saß. Er zögerte, schloss das Dossier und bemerkte betont sachlich:
»Gratuliere, der Feldversuch scheint ein voller Erfolg zu sein. Leider hat das mein unglücklicher Kollege nicht mehr erleben können. Was hat eigentlich seine Blutprobe ergeben?« Sie hatte gehofft, diese Frage nicht beantworten zu müssen, denn sie war keine gute Lügnerin. Sie verstand aber auch Heikes Warnung, denn wenn ihre Entdeckung bekannt würde, könnte das katastrophale Folgen haben. Ohne ihn anzusehen antwortete sie mit schlecht gespielter Seelenruhe:
»Blutprobe? Ah ja, ich erinnere mich, dass Heike zwei Blutproben erwähnt hat. Ich habe nichts mehr davon gehört. Die
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