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Nebenwirkungen (German Edition)

Nebenwirkungen (German Edition)

Titel: Nebenwirkungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Proben haben wohl nichts Besonderes ergeben.« Sie fühlte, wie ihr die Schamröte ins Gesicht stieg, stand auf, trat ans Fenster, öffnete es umständlich und murmelte undeutlich: »Pardon, etwas stickig hier drin.« Der kühle Lufthauch wirkte beruhigend, doch sein forschender Blick verstörte sie zunehmend. Aus dem Fenster schauend fragte sie plötzlich: »Möchten Sie einen Kaffee oder Tee?« Sie musste hier kurz raus.
    »Gerne, einen Kaffee, schwarz, ohne Zucker, bitte.« Sie nickte lächelnd und verließ das Büro eilig. Bastien nutzte die Gelegenheit, sich rasch im Zimmer umzusehen. Auf Heikes Schreibtisch stapelten sich lose Blätter, Sichtmappen und Bücher, die mit ihren vielen eingesteckten Buchzeichen papierenen Igeln glichen. Unter einer Dokumententasche entdeckte er das Deckblatt eines Berichts, dessen Titel ihn sofort stutzig machte.
     
    - S110 Proliferation -
    Preliminary Results of Blood Tests E1, B1-B9
    Prof. Dr. Heike Wolff, Dr. Amélie Dufresne
    Institute of Biology, University of Heidelberg
     
    Ein Bericht über Blutuntersuchungen. Ohne eine Sekunde zu überlegen, zog er die paar Blätter unter der Tasche hervor und hatte eben noch Zeit, sie in seiner Mappe verschwinden zu lassen, bevor Amélie die Bürotür öffnete.
    »Vielen Dank, Amélie«, sagte er, indem er sein liebenswürdigstes Lächeln aufsetzte, als sie ihm den Espresso mit perfektem Schäumchen hinstellte. Jetzt hatte er zwar die möglicherweise brisanten Unterlagen, doch konnte er es wagen, sie einfach mitzunehmen? Besser wäre es, sie unbemerkt zu kopieren, aber wie sollte er das anstellen? Auf keinen Fall durfte sein spontaner Diebstahl die nette Amélie in Gefahr oder auch nur in Verlegenheit bringen. In Gedanken versunken hatte er die etwas peinliche Stille nicht bemerkt, die plötzlich entstanden war. Erst Amélies Frage riss ihn aus seiner Grübelei.
    »Und, wie gefällt Ihnen London?«
    »Wie bitte - oh, ausgezeichnet. Ein bisschen mehr Verkehr als in Lyon. Aber das war ich ja schon von Paris gewohnt.« Sie lachte und antwortete lebhaft:
    »Zum Glück habt ihr die praktische U-Bahn. In London benutze ich stets nur die Tube.« Bastien rümpfte leicht provozierend die Nase.
    »Na ja, schon; aber es gibt Gegenden, die sind schlecht erschlossen. Ich müsste viermal umsteigen, bis ich im Büro wäre.« Sie schaute ihm zweifelnd in die Augen und spottete:
    »Viermal umsteigen oder viermal länger im Stau.«
    »Mit dem Auto, klar«, nickte er, und feierlich fügte er hinzu: »Aber ich bin ja nicht blöd.«
    »Nicht?« Sie lächelte neckisch und erschrak gleichzeitig über ihre Unverfrorenheit. Er schüttelte den Kopf und antwortete schmunzelnd:
    »Autos haben zwei Räder zuviel. Mit meinem Bike kurve ich problemlos durch jeden Stau.« Das überraschte sie. Ein Biker; dieser Bastien wurde immer interessanter. Sie fuhr selbst ein Oldtimer-Motorrad, und gegen einen wilden Ritt hin und wieder hatte sie nichts einzuwenden, im Gegenteil. Sie maß ihn mit einem langen Blick und sagte schließlich:
    »Lassen Sie mich raten. Eine nachtschwarze Moto Guzzi?«
    »Gelb, aber sonst nicht schlecht geraten. Eine Ducati. Sie kennen sich aus?« Es war eher eine Feststellung als eine Frage. Sie strahlte, denn sie hatte ihn richtig eingeschätzt. Er war einfach nicht der ›Japaner-Typ‹ und schon gar nicht der ›Harley-Fan‹.
    »Ein bisschen. Ich besitze eine alte BMW...« Weiter kam sie nicht, denn wie elektrisiert rief er aus:
    »Was, ein Oldtimer? Eine R50?«
    »R51/2 mit Sitzbank.«
    »Mein Gott, die muss ich sehen. Zeigen Sie sie mir?« Und mit Dackelblick fügte er hinzu: »Bitte, Frau Doktor!« Sie lachte lauthals und scherzte:
    »Und was bekomme ich dafür?«
    »Meine Begleitung auf einer Spritztour«, grinste er.
    Im Grunde genommen hatte sie eine kleine Auszeit verdient, dachte Amélie. Von Heike kaltschnäuzig zu dieser Besprechung verknurrt, war es beileibe nicht ihr Problem, wenn sie am Ende gar Spaß daran hatte. Es gefiel ihr, dass sie diesen niedlichen Bastien an der Angel hatte, also runzelte sie die Stirn und sagte streng:
    »Das ist verboten ohne Helm.« Er spielte mit, ließ die Schultern hängen und brummte:
    »Schade, jammerschade. Aber Sie zeigen mir die Maschine?« Sie warf ihm einen spöttischen Blick zu und nickte langsam. Als sie aufstand, erinnerte er sich plötzlich wieder an die gestohlenen Papiere. Er schlug sich an die Stirn und sagte verlegen lächelnd: »Entschuldigung, ich habe das ganz vergessen. Ich sollte

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