Nebenwirkungen (German Edition)
braungebrannter Schnösel mit dynamisch glänzendem Kahlkopf breit grinsend zwei Tische weiter und winkte ihnen salopp zu, bevor er sich zu seiner Blondine setzte. Samantha quittierte mit einem säuerlichen Lächeln und zischte leise, ohne die Lippen zu bewegen: »Arschloch.«
»Wer war das?«, wunderte sich Kyle.
»Willst du mich auf den Arm nehmen? Ted Walters, von Beruf Sohn. Hat sich vor einem Jahr bei uns beworben, mit besten Empfehlungen seines omnipotenten alten Herrn. Du warst doch damals dabei, als wir das Vergnügen hatten, ihn zu interviewen; unbrauchbar.«
»Muss ich völlig verdrängt haben«, antwortete Kyle nachdenklich. Er konnte sich beim besten Willen nicht an diesen Kerl erinnern, was ihn nicht weiter gestört hätte, wenn er nicht bisher auf sein phänomenales Personengedächtnis stolz gewesen wäre. Der Gedanke an diese unerklärliche Gedächtnislücke ließ ihn während des Essens nicht mehr los. Zerstreut kaute er an seiner Pizza, sodass Samantha schließlich beunruhigt fragte:
»Schmeckt's nicht?«
»Wie... Doch, klar, sehr gut«,
»Bist wohl wieder in Alt-Heidelberg, wie?«
»Quatsch, aber gut, dass du mich daran erinnerst. Ich muss unbedingt nach dem Essen anrufen. Frau Professor ist nämlich heute Abend besetzt.« Seine Affäre mit der schönen Deutschen hatte sich längst in der Redaktion herumgesprochen, und es tat gut, Samantha damit provozieren zu können. Er lachte, als sie die Augen rollte. Die romantische Seite seiner Chefin war wohl spätestens vor sechs oder sieben Monaten abgestorben, als sie sich von ihrem langjährigen Partner getrennt hatte. Soweit Kyle wusste, hatten die beiden stets in einer eher losen Beziehung mit größeren Unterbrüchen gelebt, doch jetzt schien es endgültig aus zu sein.
»Chocolate Cake?«, fragte Samantha, für die dieser Nachtisch unverzichtbar war.
»Nein Danke, kein Platz«, seufzte Kyle bedauernd, denn an diese nahrhafte Delikatesse konnte er sich sehr wohl erinnern.
Vielleicht hätte er anders entschieden, wenn er gewusst hätte, dass er noch genau neunzehn Minuten zu leben hatte, denn kurz nachdem sie das Restaurant verlassen hatten, ereignete sich die Katastrophe. Samantha überquerte die Straße, während er abwesend bei der Ampel stehen blieb. Erst als das Signal wieder auf rot schaltete, trat er auf die Straße und brach nach wenigen Schritten kraftlos zusammen, als wären seine Beine unter ihm weg geschmolzen. Der Fahrer des schweren Geldtransporters trat augenblicklich auf die Bremse, doch er hatte keine Chance, die fünf Tonnen noch rechtzeitig anzuhalten, und Samantha musste fassungslos mit ansehen, wie Kyles Körper unter den Rädern zermalmt wurde. Alles Blut wich aus ihrem Kopf und ihre Welt wurde schwarz und totenstill.
Verständnislos schaute sie dem jungen Mann in der dicken gelben Weste, der zu ihr sprach, ins Gesicht. Nur langsam erinnerte sie sich, was geschehen war. Der Sanitäter half ihr aufzustehen, doch die Beine knickten sogleich unter ihr weg. Dennoch wollte sie sich nicht auf die bereitgestellte Trage legen lassen. Sie biss die Zähne zusammen und knurrte:
»Es geht schon. Mir fehlt nichts. Was ist mit...?« Ein Blick auf die Straße beantwortete ihre unausgesprochene Frage, denn sie sah, wie zwei Sanitäter eine Bahre mit einem Tuch bedeckten, bevor sie sie ins Rettungsfahrzeug schoben.
»Kennen Sie den Mann?«
»Ist er tot?«, fragte sie mit matter Stimme, obwohl sie die Antwort bereits kannte. Wirre Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Sie wollte nicht glauben, was sie eben gesehen hatte. Wie konnte ein Mensch, mit dem sie noch vor wenigen Minuten gegessen und geredet hatte, einfach nicht mehr existieren? Der Helfer neben ihr nickte und wiederholte seine Frage.
»Kyle Randolph, Journalist, mein Kollege«, antwortete Samantha mechanisch. Sie stand unter Schock. Als hätte sie ihre Lebenskraft auch verlassen, ließ sie sich widerstandslos in die Notaufnahme fahren.
»Ich glaube, ich kann das nicht«, klagte sie laut und starrte das stumme Telefon an, während sie aufgewühlt in ihrem Büro hin und her lief. Noch im Spital hatte Samantha schluchzend mit dem einzigen Verwandten, Kyles Bruder, gesprochen und mit Tränen in den Augen die Redaktion informiert. Kyle war ihr in den vielen Jahren ihrer Zusammenarbeit ans Herz gewachsen, und sein gewaltsamer Tod hatte sie zutiefst verletzt. Sie wehrte sich mit aller Kraft dagegen, und doch musste sie dieses sinnlose Schicksal akzeptieren. Wie konnte sie in
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