Nebenwirkungen (German Edition)
Licht des südlichen Afrika hatten sie anfangs überwältigt, doch der schöne Traum vom spannenden Forschungsauftrag in paradiesischer Landschaft war längst geplatzt. Die schrecklichen Ereignisse und das katastrophale Ende ihres ersten Versuchs hatten sich tief in ihre Seele gegraben und sie an den Rand einer Depression getrieben.
Die Krankenschwester konnte sich gut an den aufgeweckten Jungen erinnern. Nach kurzer Diskussion führte sie Katie in den Laborbereich, wo die Blutproben eine gewisse Zeit aufbewahrt wurden, bevor man sie vernichtete.
»Wir müssen außen herum gehen«, erklärte die Schwester, als sie sich zum Ausgang wandte. »Der größte Teil des Erdgeschosses ist gesperrt, denn hier herrscht seit zwei Wochen Ausnahmezustand.« Katie warf ihr einen fragenden Blick zu und sie begann zu erzählen. Vor etwa drei Wochen waren die ersten Fälle von Pseudomalaria, wie sie das Phänomen inzwischen nannten, eingeliefert worden. Bauern aus dem Grenzgebiet und ein weißer Tourist aus einer nahe gelegenen Lodge. Erst hatte man die Leute gegen Malaria behandelt, worauf die Fieberschübe zwar zurückgegangen waren, doch nach zwei, drei Tagen zeigten sich bei allen Patienten massive Störungen des Gleichgewichts und allgemein der Bewegungskoordination. Sie fielen ohne erkennbaren Grund hin oder in einem Fall die Treppe hinunter. Ihr Kleinhirn musste schwer geschädigt sein. Kurz danach schienen Geruchs- und Geschmackssinn stark eingeschränkt zu sein, und die letzte Stufe vor dem sicheren Tod war der totale Verlust der Sprache.
»Alle sind gestorben?«, fragte Katie ungläubig. Die Schwester nickte und fuhr eifrig weiter in ihrer Erzählung, als wäre sie froh, endlich mit jemandem über diese beängstigende Situation reden zu können.
»Das war erst der Anfang. Täglich kommen weitere Patienten mit den gleichen Symptomen, und die Ärzte sind völlig ratlos. Sie haben die Verstorbenen untersucht, konnten aber nichts weiter finden, als dass wichtige Teile des Gehirns angegriffen waren. Niemand weiß etwas über diese Krankheit, noch nicht einmal, ob sie ansteckend ist. Vorsichtshalber haben sie nun einen Teil des Spitals vollständig abgeriegelt und für diese Fälle reserviert. Todeszone nennen wir den Bereich heimlich.« Der erschütternde Bericht hatte Katie aufgewühlt. Sprachlos starrte sie die Schwester an, die inzwischen vor der Tür des Labors stehen geblieben war. Sie traten ein und sahen zu Katies Erleichterung, dass sie allein waren. Es war sicher leichter, nur die Schwester von ihrem Vorhaben überzeugen zu müssen.
»Hier, sehen Sie. Die Autopsieberichte stapeln sich bereits. Es ist zum Verzweifeln, wir können den armen Teufeln überhaupt nicht helfen.« Katie nickte nachdenklich und sagte mitfühlend:
»Ich kann es nicht glauben. Das muss sehr hart für Sie sein.« Die Schwester hatte inzwischen Nyacks Blutprobe im Kühlschrank gefunden und wollte sie Katie geben, doch diese wehrte ab:
»Warten Sie. Haben Sie Proben von den Pseudomalaria-Opfern? «
»Klar, der halbe Schrank ist voll davon«, antwortete sie verdutzt und zeigte auf eine lange Reihe von Reagenzgläsern, jedes sauber mit einem Code beschriftet. Katie setzte ihre einnehmendste Miene auf, als sie endlich mit ihrem Anliegen herausrückte.
»Wir haben hoch spezialisierte Labors an unserem Institut. Vielleicht könnten wir mithelfen, diesem Rätsel auf die Spur zu kommen. Ich glaube, es wäre sehr wichtig, dass wir auch Proben von diesen Patienten untersuchen könnten.« Sie beobachtete gespannt die Reaktion der Schwester. Diese warf ihr einen prüfenden Blick zu und zuckte dann lediglich die Achseln. Ermutigt fragte Katie: »Die Untersuchungen hier sind doch abgeschlossen und protokolliert, nicht wahr?« Sie musste ihre ganze Überzeugungskraft aufwenden, aber schließlich gelang es ihr, der Schwester nicht nur Nyacks Blutprobe, sondern auch noch ein halbes Dutzend Proben inzwischen verstorbener Patienten zu entlocken. Zudem konnte sie die Obduktionsberichte kopieren, die zu den Proben gehörten. Sie verstaute die Proben in der mitgebrachten Kühlbox und fuhr schnellstens zur Mine zurück. Heike würde überrascht sein über ihre Ausbeute, doch sie hatte ein ausgesprochen schales Gefühl im Magen.
Heidelberg
Trübe Gedanken schossen Bastien durch den Kopf, als er das Hauptgebäude der Universität betrat. Vor nicht allzu langer Zeit war sein Kollege noch voller Lebenslust und wohl auch Vorfreude durch dieses Tor geschritten. Er
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