Nebenwirkungen (German Edition)
möglicherweise über Tröpfcheninfektion, zum Beispiel durch Husten, übertragen wird, falls der Empfänger entsprechend disponiert ist. Es scheint so, dass du die Seuche zwar in dir trägst, dein Genmaterial sie aber gewissermaßen inaktiviert hat. Bildlich gesprochen bilden deine Gene einen Schutzschild um die gefährlichen Komponenten. Absolute Sicherheit gibt es natürlich nicht.«
»Na wunderbar. Ich bin also eine wandelnde Zeitbombe«, ächzte Robert. »Ein Scheißsouverir ist das!« Der Kraftausdruck passte gar nicht zu Roberts sonst so kultivierter Zurückhaltung. Der Befund musste ihn außerordentlich aufgewühlt haben. Er entschuldigte sich denn auch sofort für den Ausrutscher und verabschiedete sich mit den Worten:
»Sieht so aus, als müssten wir dringend mit Heidelberg reden, wenn's nicht schon zu spät ist. Ich danke dir, salve.«
Achtzig Kilometer südlich von Cambridge und eine Stunde später rief Samantha den Junior in ihr Büro, um die neue Lage zu besprechen. Das lange Telefongespräch mit Professor Barnard war ihr erheblich in die Knochen gefahren, als sie realisierte, wie knapp Robert einem grauenhaften Tod entronnen war. Noch verheerender schien ihr die Vorstellung zu sein, dass in dieser Minute an den unterschiedlichsten Orten in der Welt echte menschliche Zeitbomben unterwegs waren, die diese unheimliche Seuche weiter verbreiteten; und niemand schien sich darum zu kümmern. Sie mussten diese Heike Wolff unter Druck setzen, ihr zumindest die Augen öffnen. Es gab jetzt genug Hinweise, dass die erfolgreiche Malariabekämpfung ein viel größeres Problem geschaffen hatte.
»Verflucht, sie hat ihren eigenen Lover getötet!«, ereiferte sich Samantha. »Sie muss doch selbst das größte Interesse an der Aufklärung dieses medizinischen Rätsels haben.«
»Wem sagst du das, aber vielleicht hat sie der eine Erfolg blind gemacht. Vielleicht sieht sie Zusammenhänge ganz anders und mauert. Wir sollten trotz aller Eile diplomatisch vorgehen«, entgegnete Bastien, und nach kurzem Zögern fuhr er fort: »Ich denke, ich habe auch schon eine Idee.« Samantha blickte ihn fragend an, und er schlug ihr vor, Heikes Assistentin einzuschalten; ein unverfänglicher Grund, nochmals nach Heidelberg zu reisen.
»Wie auch immer«, sagte Samantha schließlich ungeduldig. »Aber sieh zu, dass es schnell geht.«
Bastien musste sich erst sammeln, sein schlechtes Gewissen verdrängen, bevor er Amélies Nummer wählte. Sie begrüßte ihn kühl und kurz angebunden, als wäre er ein lästiger Telefonverkäufer und wollte gleich wieder auflegen.
»Nicht auflegen, bitte. Amélie, ich bin's, der Biker«, stammelte er verwirrt.
»Ich weiß, aber ich sagte doch schon, ich habe keine Zeit.«
»Ich muss Sie dringend sprechen. Es ist äußerst wichtig.«
»So wichtig wie Berichte kopieren?«, fragte sie bitter. Das saß. Der Vorwurf schlug eine große Bresche in sein Selbstbewusstsein und traf ihn völlig unvorbereitet. Wie konnte sie wissen, was er getan hatte?
»Amélie, es tut mir leid. Ich kann das erklären. Ich ... «
»Da gibt es nicht viel zu erklären. Sie haben einen vertraulichen Bericht kopiert. Das ist Diebstahl.«
»Sie haben völlig recht, ich war ein Idiot. Bitte, geben Sie mir noch eine Chance. Ich muss unbedingt mit Ihnen sprechen, aber nicht am Telefon. Ich reise heute noch nach Heidelberg. Ich habe das Zimmer im Neckarhof schon gebucht. Ich werde dort etwa um sieben eintreffen und Sie anrufen. Sie werden mich verstehen, wenn Sie hören und sehen, was wir herausgefunden haben.«
»Ich bin sehr beschäftigt«, gab sie mürrisch zurück. Erleichtert verabschiedete sich Bastien und machte sich auf den Weg zum City Airport. Wenigstens hatte sie nicht einfach aufgelegt.
Im silbergrauen Audi, der in den letzten Tagen häufig im Schatten unter den alten Bäumen vor der Universität parkte, schaltete Alexandra vom Sicherheitsdienst des BiosynQ-Konzerns den Kopfhörer der Abhöranlage ab und atmete endlich auf. Na also, endlich tut sich was , dachte sie erleichtert und startete den Motor.
Heidelberg
Amélie fragte sich nicht zum ersten Mal an diesem Abend, warum sie diesen Bastien, der sie so schändlich ausgenutzt hatte, treffen wollte. Hatte sie lediglich seiner eindringlichen Bitte nachgegeben, oder war mehr dahinter? Wollte sie ihn sehen? Verwirrt betrat sie den Neckarhof und schaute sich in der kleinen, rustikalen Halle um. Er saß von ihr abgewandt am hinteren Ende der Theke in der Bar, und
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