Nebenwirkungen (German Edition)
habe es nicht so gemeint. Ich möchte nur, dass es dir gut geht. Ich liebe dich.« Samantha unterdrückte eine sarkastische Bemerkung und wechselte das Thema. Ihre Mutter Sophie hatte aus Southampton angerufen, wo sie sich mit ihrem Ehemann Thomas Herbert zur ersten Kreuzfahrt einschiffte. Das halbe Leben hatten die beiden eisern gespart, um sich nach Toms Pensionierung ab und zu etwas Besonderes leisten zu können, und diese Reise in die Karibik würde mit Sicherheit der bisherige Höhepunkt werden.
»Wie wär's, wenn wir zur Abwechslung mal nicht von meinen Beziehungen sprechen? Seid ihr eigentlich schon auf dem Schiff?«
»Nein, das dauert noch mindestens eine Stunde, aber wir genießen es hier im Terminal; alles vom Feinsten. Hast du schon einmal so ein Wahnsinnsschiff aus der Nähe gesehen? Du glaubst nicht, wie gigantisch diese ›Crown of the Seas‹ ist. Mit ihren achtzehn Decks ist sie höher als die Kuppel von Saint Paul's, kannst du dir das vorstellen? Sie soll länger sein als der Eiffelturm hoch ist. Ich frage mich trotzdem, wie all die Leute hier hinein passen.« Samantha ließ ihre Mutter reden. Einerseits freute sie sich für ihre Eltern, andererseits war sie heilfroh, nicht selbst in diesem Gewühl zu stecken, das sie sich lebhaft vorstellen konnte. Dreieinhalb tausend Passagiere und noch einmal fast halb so viele Crewmitglieder - sie schauderte.
»Die sind schon seit Stunden am Einladen von Esswaren und anderem Material. Ich bin gespannt auf die Einrichtung und unsere Kabine. Muss alles grandios sein nach den Photos.«
»Wunderbar, Mom. Ich wünsche euch beiden eine traumhafte Reise, aber ich muss langsam Schluss machen. Grüß Dad, und er soll sich auch ein bisschen entspannen, ja?« Ihr Vater war ein Kontroll-Freak, genau wie sie. Es kostete ihn auch zwölf Jahre nach seiner Pensionierung noch Mühe, einfach auszuspannen und das hektische Leben der Vielbeschäftigten an sich vorbei ziehen zu lassen. Sie legte den Hörer auf die Gabel und ging eilends durch das leere, halbdunkle Großraumbüro zur hell erleuchteten Kaffeeecke.
»Du bist noch hier? Entschuldige, Bastien, meine Mutter hatte viel zu erzählen. Sie schifft sich gerade zu einer Kreuzfahrt ein.« Wird wohl das letzte lange Gespräch für die nächsten drei Wochen gewesen sein , dachte sie erleichtert, doch sie sollte sich gründlich geirrt haben. »Also, schieß los!«
»Zusammengefasst ergibt sich bis jetzt folgendes Bild. Ich habe über fünfzig Fälle von Pseudomalaria in fünf Ländern auf drei Kontinenten gefunden, die Hälfte davon in Südafrika, Kyle und Robert nicht mit eingerechnet. Alle diese Fälle sind tödlich verlaufen, was wohl einfach daran liegt, dass nur die Krankheiten mit Todesfolge gemeldet werden. Die Medizin tappt völlig im Dunkeln, und es scheint keinerlei Gegenmittel zu existieren. Interessant ist die Tatsache, dass alle Fälle nach dem Besuch von Kyle in Botswana aufgetreten sind, und dass sich ihre Anzahl in immer kürzeren Zeitabständen verdoppelt. Die Krankheit breitet sich beinahe exponentiell aus.« Samantha sah ihn mit großen Augen an und murmelte bestürzt:
»Eine Epidemie? «
»Noch nicht offiziell. Jedenfalls habe ich keine Hinweise darauf gefunden, dass irgendwelche Behörden aktiv geworden wären. Es scheint auch keine Koordination zwischen den verschiedenen Ländern zu geben. Ich glaube, ich bin der Erste, der die Fälle überhaupt im Zusammenhang sieht. Aber es kommt noch schlimmer.« Samantha hing an seinen Lippen und drängte ungeduldig:
»Was? Jetzt mach schon.«
»Ich habe die Berichte aus dem Spital in Südafrika genauer untersucht.« Wieder machte er eine Kunstpause, die Samantha mit einem stechenden Blick beendete. »Einer der dort Verstorbenen war schon seit über einem Monat Patient im Spital, bevor die Pseudomalariafälle auftraten. Er konnte also kaum durch einen Mückenstich erkrankt sein. Die nahe liegende Erklärung scheint mir eine Übertragung von Mensch zu Mensch zu sein.«
»Mein Gott, die Krankheit ist ansteckend«, stöhnte Samantha. Das Schreckensszenario einer ansteckenden, tödlichen Krankheit ohne Gegenmittel, die sich immer schneller weltweit ausbreitete, ließ sie erschauern. Als wäre diese Vorstellung noch nicht schlimm genug, fügte Bastien mit müder Stimme hinzu:
»Und der Bericht aus Heidelberg deutet klar darauf hin, dass diese mysteriöse Seuche direkt mit ihrem synthetischen Genmaterial zusammenhängt.« Sie waren hier einer ganz großen Sache auf
Weitere Kostenlose Bücher