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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Kreaturen endlich zuschlugen, spürte sie einen Anflug von Erlösung. Ein einzelner langer Schrei entrang sich ihrer Kehle, stieg auf und verhallte über den Baumwipfeln, während die Sonne mit einem letzten blutroten Aufleuchten hinter den Hügeln versank.
     
     
21
     
    Michael hatte bei der Beschreibung seines Hauses keinesfalls übertrieben. Umgeben von einem weitläufigen Grundstück, stand es am Rande des Naturschutzgebietes Butterberg, in unmittelbarer Nähe zur Kurstadt Bad Harzburg. Soweit sie das in der Dämmerung erkennen konnte, begann direkt dahinter ein dichter Buchenwald, der das Grundstück auf mehreren Seiten umrahmte. Das Haus selbst war ein weiß-, gestrichener zweistöckiger Holzbau mit Dutzenden von Fenstern, etlichen kleinen Erkern und einem anheimelnden graugrünen Schieferdach, alles stimmungsvoll beleuchtet. Hannah hatte Schwierigkeiten, das einfache Sweatshirt und die verwaschene Jeans vom Konzertabend zuvor mit diesem Haus in Übereinstimmung zu bringen. Um sich ein solches Anwesen leisten zu können, bedurfte es mehr als nur eines gewonnenen Prozesses.
    Während sie auf das Haus zufuhr, fiel ihr auf, dass sie ihn noch nie mit Erfolgen hatte prahlen hören. Es schien, als wisse er Geschäftliches von Privatem sehr wohl zu trennen - eine Eigenschaft, über die nur wenige Männer verfügten. Michael erwartete sie bereits vor der Haustür. Sie verließ die Straße und stellte ihren Wagen seitlich auf der kiesbestreuten Auffahrt ab. Das kleine Auto wirkte wie ein Fremdkörper inmitten dieser edlen Wohngegend mit seinen Luxuskarossen. Sie griff nach hinten und holte die beiden Mitbringsel vom Rücksitz, die sie in aller Eile bei einem Feinkosthändler in Halle erworben hatte, und ging dann zu ihm hinüber. Zur Begrüßung bekam sie einen schüchternen Kuss auf die Wange. »Wie schön, dass du kommen konntest«, sagte er. »Darf ich dir etwas abnehmen?«
    »Oh ... ja. Ich habe ein bisschen was mitgebracht. Ich dachte, vielleicht zum Aperitif?«
    Michael nahm die Flasche und ein mit einer goldenen Schleife versehenes Einmachglas in Empfang und schaute prüfend auf das Etikett. »Sauternes und Gänseleberpastete. Fabelhaft. Deine Wahl?«
    Hannah lächelte verhalten. »Um ehrlich zu sein, es war der Vorschlag des Feinkosthändlers. Er meinte, damit könne ich nichts falsch machen. Magst du das etwa nicht?« Michael grinste. »Ich könnte dafür zum Mörder werden.« »Na, dann bin ich ja erleichtert.«
    Michael hielt ihr die Tür auf. »Bitte komm herein. Ich habe mich mit dem Essen leider etwas verspätet. Ich hoffe, du hast es nicht eilig.«
    Hannah wollte schon verneinen, als ihr der Duft nach gebratenen Zwiebeln, Knoblauch und einer Vielzahl Gewürze in die Nase stieg. Angesichts dieses Duftes verschlug es ihr die Sprache. »Du hast wirklich selbst gekocht.«
    »Natürlich. Dich zum Essen einzuladen und dir dann eine Tiefkühlpizza vorzusetzen, empfände ich als ziemlich beschämend«, sagte Michael, nahm ihr die Jacke ab und deutete geradeaus. »Du kannst ja schon mal ins Wohnzimmer gehen und es dir gemütlich machen. Ich hänge nur schnell deine Jacke auf.« Seinen Rat ignorierend, wandte Hannah sich nach links, dem verführerischen Duft entgegen. Küchen übten seit jeher eine magische Anziehungskraft auf sie aus. Der Raum war klein und gemütlich. Viel poliertes Holz, Gewürzregale und ein Knoblauchzopf. Sie fühlte sich sofort wohl.
    In diesem Moment kam Michael herein. »Ach da steckst du«,
    sagte er. »Ich habe schon befürchtet, du hättest dich verlaufen.
    Das Haus ist ziemlich unübersichtlich.«
    »Entschuldige bitte«, sagte sie lächelnd. »Ich war noch nie gut im Befolgen von Anweisungen. Außerdem musste ich einfach sehen, woher der köstliche Duft kommt.«
    Michael nahm einen Topflappen und öffnete die Backofentür.
    »Der Lammbraten müsste bald fertig sein. Ich hoffe, du magst das.« Ein pechschwarzer Römertopf stand darin, in dem es mächtig brutzelte.
    »Ich liebe Lamm«, gestand Hannah, während sie beobachtete, wie Michael den Deckel hob, um das Fleisch zu prüfen. »Ich habe während meiner Zeit in der Sahara kaum etwas anderes gegessen.«
    »Das Fleisch stammt von einem Türken hier in der Stadt. Er verkauft das zarteste Fleisch weit und breit. Das Ganze serviert auf einem provenzalischen Gemüsebett mit Ofenkartoffeln. Noch etwa zehn Minuten. Darf ich uns in der Zwischenzeit den Süßwein und die Gänseleberpastete öffnen?« Hannah nickte dankbar. Sie hatte ein

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