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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Nudelgericht erwartet, vielleicht einen Zwiebelkuchen mit Salat, aber gewiss keinen selbstgemachten Lammbraten.
    Eine Stunde später lehnte sie sich, auf eine angenehme Weise gesättigt, zurück.
    Michael hatte vor wenigen Minuten einen neuen Rotwein geöffnet, dessen Etikett er aber vor Hannah verborgen hielt. Die letzte halbe Stunde hatte er sich bemüht, ihr die Grundlagen der Weinverkostung beizubringen, eine Wissenschaft, die an Hannah bisher spurlos vorübergegangen war. Natürlich wusste sie, dass es nicht wirklich darum ging, aus ihr einen Weinkenner zu machen. Er versuchte sie zu beeindrucken, und das gelang ihm ganz ausgezeichnet.
    Er schenkte ein Glas ein und beobachtete sie aufmerksam. Sie streckte ihren Arm aus und versuchte, sich an die einzelnen Lektionen zu erinnern. Die Augen geschlossen haltend, kostete sie den ersten Schluck. Auch ein Laie hätte erkannt, dass dies ein Juwel war. »Der ist umwerfend. Was ist das?«
    Er drehte das Etikett zu ihr herum. »Ein Siebenundneunziger Shiraz aus Australien. Achtundneunzig Parker-Punkte. Leider nicht ganz billig.«
    »Was auch immer dieser Tropfen gekostet hat, er ist jeden Cent wert. Einfach umwerfend«, wiederholte sie. »Wie übrigens das ganze Essen.« Sie nahm einen weiteren Schluck. Samtig weich, wie flüssiges Gold, glitt er ihre Kehle hinab. Ihre Sinne begannen sich auf angenehme Art zu verwirren. Lag das am Wein oder an ihrem Gastgeber? Sie sah über den Rand des Glases zu ihm hinüber. Ihre Blicke trafen sich.
    Er wollte sie, und sie wollte ihn, so viel war klar. Die Frage war nur, wie und wann es geschehen würde. Sie schenkte ihm ein verführerisches Lächeln, dann erhob sie sich von ihrem Stuhl. »Ich müsste mir mal kurz die Nase pudern.«
    Michael winkte mit der Hand zur Diele. »Da raus und gleich rechts. Kannst du gar nicht verfehlen. Ich mache uns in der Zwischenzeit einen Espresso.«
    Wenige Minuten später stand sie neben ihm im Wohnzimmer, nippte an ihrem Espresso und blickte nach draußen. Es war kurz nach Mitternacht. Das Wetterleuchten hatte wieder eingesetzt. Blitze zuckten durch die Nacht, während der Regen gegen die großen Panoramascheiben klatschte. »Was für eine Nacht«, sagte sie mit einem Schaudern. »Da möchte man keinen Hund vor die Tür scheuchen.« »Du musst nicht zurück ins Hotel - wenn du nicht willst.«
    Dann fügte er hinzu: »Ich würde mich freuen, wenn du bleiben könntest.«
    Sie versank einen Moment in Gedanken. »Weißt du, was ich mich die ganze Zeit frage?« »Was denn?«
    »Wieso hat ein Mann wie du, der so erfolgreich in seinem Job ist, der so kultiviert und so belesen ist und der obendrein so gut kochen kann - wieso hat solch ein Mann keine Frau und einen Stall voll Kinder?«
    Michael verzog keine Miene. »Vielleicht gehöre ich nicht zu den Menschen, die eine Familie haben sollten.« »Was soll das heißen?«
    Er zögerte. Die Worte schienen ihm nicht leichtzufallen. »Es hat etwas mit meiner Vergangenheit zu tun«, sagte er endlich. »Etwas Unschönes. Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich lieber nicht darüber reden.« Er blickte hinaus in den Regen.
    Was mochte er damit meinen? Hatte es etwas mit seinen Narben zu tun? Sie traute sich nicht, noch weiter in ihn zu dringen. Sie war ohnehin schon drauf und dran, mit ihrer Neugier alles zu verderben. John hatte schon recht. Sie hatte viel zu lange in der Einsamkeit gelebt. Eine Frage konnte sie sich aber doch nicht verkneifen. »Und was ist mit Frauen? Ich könnte mir vorstellen ...«
    Er lächelte versonnen. »Nun, die eine oder andere hat es schon gegeben, aber es war nichts von Dauer dabei. Vielleicht bin ich ein bisschen konservativ, aber ich glaube an Liebe auf den ersten Blick.« Er blickte ihr tief in die Augen. »Es mag dir vielleicht nicht bewusst sein, Hannah, aber du bist etwas ganz Besonderes. Dich umgibt ein Geheimnis, und ich würde mir nichts sehnlicher wünschen, als es ergründen zu dürfen.« Er streckte seine Hand aus und strich mit seinen Fingern über ihren Nacken. Die Wärme seiner Hand löste wohlige Schauer bei ihr aus. Sie schloss die Augen und genoss die Berührung. Michael fasste sie bei den Schultern und drehte sie zu sich. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Seine Hand strich über ihre Wangen und dann sanft ihren Hals hinab. Mit langsamen Bewegungen begann er, die obersten Knöpfe ihrer Bluse zu lösen. Dann zog er den Stoff sanft über ihre Schulter. Hannah konnte seinen Atem spüren. Über

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