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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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sich. »Das ist mal ein vernünftiges Wort.« Mit ausgebreiteten Armen wandte er sich dem gläsernen Heiligtum zu. »Was darf s denn sein?«
    »Keine Ahnung. Was haben Sie denn so?« »Alles, Schätzchen, alles. Wir haben Whiskys aus ganz Schottland, streng geographisch getrennt. Hier drüben die Highlander aus den Central, den Western, Eastern und Northern Highlands. Hier drüben stehen die Tropfen aus der Region Speyside, dann haben wir die Lowlands, Whiskys aus Stonehaven und Dumbarton und natürlich die Exoten von den Inseln Islay, Arran, Mull, Jura, Skye und Orkney.« »Tja ...« Hannah war ratlos. Sie hatte noch nie viel für Whisky übriggehabt. Genaugenommen hatte sie ihn nur bestellt, um mit dem Wirt ins Gespräch zu kommen. »Keine Ahnung. Irgendwas Weiches am liebsten.«
    »Kommt sofort.« Der Wirt griff nach einer Flasche mit einer ungewöhnlichen Verdickung am Hals.
    »Und schenken Sie sich bitte auch einen ein. Ich trinke so ungern allein.«
    Der Wirt sah sie für einen Moment erstaunt an, dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. »He, Jamie«, brüllte er über die Köpfe der Gäste hinweg in Richtung eines Ecktisches, an dem ein zerknitterter alter Mann über seinem Guinness brütete. »Kannst du dir das vorstellen? Ich habe immer noch Chancen bei den jungen Dingern. Die hier hat mich gerade zu einem Talisker eingeladen.«
    Der Alte winkte fröhlich zurück und entblößte dabei eine Reihe schwärzlicher Zahnstümpfe.
    »Ich nehm deine Einladung an, Süße«, sagte der Wirt an Hannah gewandt, »aber nur unter einer Bedingung.« »Und die wäre?«
    »Dass du mich Aidan nennst. Alle tun das hier.«
    »In Ordnung. Mein Name ist Hannah ...« Sie wollte mit ihm anstoßen, doch sein Glas verharrte in der Luft.
    »DU bist das also.«
    »Ich? Was meinst du damit?«
    »Will hat angekündigt, dass du kommen würdest. Aus Deutschland, nicht wahr?« »Stimmt. Aber ...«
    »Herzlich willkommen am Ende der Welt. Gute Reise gehabt?«
    »Schon, aber um ehrlich zu sein, stehe ich gerade ziemlich auf dem Schlauch.«
    »Dann ist ein Talisker genau das Richtige. Cheers.« »Cheers.«
    Der Whisky schmeckte überraschend gut. Er wärmte Hannahs Kehle und entzündete ein kleines Feuer in ihrem Bauch. Überraschenderweise half er auch gegen die aufkommende Müdigkeit.
    Hannah stellte das Glas neben sich ab. »Du sagtest eben Will. Ist das eine Abkürzung für William?«
    Aidan nickte. »William McClune. Eine unserer Berühmtheiten hier im Ort. Die halbe Stadt gehört ihm, einschließlich dieses Hotels. Aber er is 'n feiner Kerl. Hält sich ziemlich im Hintergrund. Kommt ab und zu mal auf einen Whisky vorbei. Hat immer viel zu tun. Ölgeschäfte, du weißt schon.« Er wedelte mit der Hand in der Luft herum und tat so, als wären Ölgeschäfte die natürlichste Sache der Welt. »Er kommt eigentlich nur hierher, um abzuschalten. Männer brauchen das von Zeit zu Zeit, weißt du, und er ist ja auch nicht mehr der Jüngste.« »Er sammelt Antiquitäten, habe ich gehört.« »So sagt man. Kein Mensch weiß, was er da in seinem Haus eigentlich treibt. Ich kenne niemanden, der jemals eine Einladung erhalten hätte. Niemanden außer dir.« Aidan unterbrach seinen Wortschwall. Offenbar in der Hoffnung, eine nähere Erläuterung zu erhalten, die jedoch nicht erfolgte. Als er merkte, dass Hannah nicht gewillt war, ihr Geheimnis preiszugeben, fuhr er fort: »Ist schon ein komischer Kauz, dieser Will. Kein Telefon, kein E-Mail. Wenn er hier ist, merkt man das eigentlich nur daran, dass er vorbeikommt, um einen zu trinken - und natürlich, dass sein Helikopter auf dem Landeplatz steht.« Hannah runzelte die Stirn. Ein Antiquitäten sammelnder Ölbaron mit Hubschrauber? William McClune schien wirklich eine exzentrische Persönlichkeit zu sein. »Und er wohnt ganz allein, hier in John o'Groats?« »Nun, alkin würde ich das nicht unbedingt nennen«, sagte Aidan. »Er hat immer mindestens zwei oder drei Leute bei sich. Pilot, Chauffeur, Dienstpersonal, was man halt so braucht. Aber wie ich schon sagte, Will hält sich sehr bedeckt.« »Ich würde ihn gern heute noch besuchen«, sagte Hannah. Aidan lachte. »Herzchen, du wirst bereits erwartet. Geh einfach die Küstenstraße runter in Richtung Duncansby Head. Keine zehn Minuten von hier, das große Steinhaus direkt an der Klippe.«
    »Und du meinst, er lässt mich einfach so rein?« Aidan zuckte die Schultern. »Probieren geht über studieren, würd ich sagen.« Mit diesen Worten

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