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Necare (Verlangen) (German Edition)

Necare (Verlangen) (German Edition)

Titel: Necare (Verlangen) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Maibach
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wirkte ordentlich
und aufgeräumt, ganz anders als der bei ihm zuhause. Jeder Stift, jedes Blatt,
jede Büroklammer schien akkurat auf seinem Platz zu liegen. An den Wänden waren
Regale befestigt, auf denen die unterschiedlichsten Apparaturen und Gegenstände
zu sehen waren: Viele alte und zerfledderte Bücher lagen darin herum, Glaskolben,
Phiolen mit bunten Flüssigkeiten, Schädel, mehrere Holzschachteln und einige
Pergamentrollen.
    Mein Vater
hatte sich inzwischen hinter seinen Schreibtisch gesetzt und einige Unterlagen
hervorgeholt. Er wollte sich gerade an die Arbeit machen, als sein Blick auf
mich fiel. Er schien kurz aus dem Konzept zu geraten, erklärte dann aber: „Setz
dich oder schau dich etwas um, ganz wie du willst.“
    In einer Ecke
stand ein großer Stuhl mit braunem Lederbezug. Ich hatte wenig Lust, untätig herumzusitzen.
Mich zog es da eher zu den Regalen. Ich schritt darauf zu und besah mir die
Gegenstände genauer. Die Bücher schienen wenig interessant: „Anatomische
Grundzüge der Venossa Gattung“, „Tonizität in talagischen Lösungen“,
„Abwehrmechanismen von tendugischer Magie.“ Ich sah mich weiter um, betrachtete
die Flüssigkeiten in den Gläsern, Phiolen und Flaschen. Sie alle hatten die
unterschiedlichsten Farben; in manchen schwammen kleinere Schwebstoffe umher
oder wiesen Bodensätze auf. In einer konnte ich sogar etwas erkennen, das wie
Knochenstücke aussah. Mein Blick glitt weiter zu den kleinen Holzschachteln.
Sie waren reich verziert mit schönen Schnitzereien und Brandzeichen. Ich
streckte die Hand aus, um eine davon öffnen zu können, als eine Stimme die
Stille durchschnitt: „Lass das!“ Ich schrak zusammen und ließ die Hand
augenblicklich sinken.
    „Du sollst
hier nichts anfassen. Setz dich auf den Stuhl.“
    Ich zögerte
kurz, kam seiner Aufforderung dann aber doch nach. In mir schwelte jedoch die
Wut. Musste er mich wie ein kleines Kind behandeln, das nun seine Strafe
abzusitzen hatte? Er hätte zumindest in einem anderen Tonfall mit mir reden
können… Ich beobachtete ihn eine Weile, wie er mit flinken Fingern einige
Seiten beschrieb. Es schien, als hätte er mich längst vergessen. Er sprach kein
Wort mehr mit mir, war vollkommen in seine Arbeit vertieft und verschwendete
keinen weiteren Gedanken mehr an mich. Ich hatte eigentlich angenommen, er
würde mir etwas von seiner Arbeit erzählen, mir das Gebäude zeigen…
    Ich
unterdrückte ein Seufzen und fragte mich, wie ich das Eis brechen sollte.
    „An was
arbeitest du gerade?“ Wenn er nicht auf mich zukommen wollte, musste ich eben
den ersten Schritt tun.
    Er sah nicht
einmal auf, sondern antwortete nur: „Ein Baslargan ist vor einigen Tagen in der
Nähe eines Dorfes gesehen worden. Wir haben ein paar Radrym hingeschickt, die
sich dort umsehen sollten. Das hier sind deren Berichte.“
    Über
Baslargans hatten wir im Unterricht von Herrn Gnat gesprochen. „Ich habe von
ihnen schon gehört. Sie benutzen einen Gesang, der ihre Opfer einschlafen lässt
und saugen deren ganze Kraft aus, bis sie sterben.“
    Nun hob mein
Vater endlich den Kopf und sah mich mit etwas wie Interesse an. „Ja, das ist
richtig. Es freut mich, dass ihr in der Schule so gut unterrichtet werdet.“
    „Haben die
Radrym den Baslargan finden können?“
    „Bis jetzt
noch nicht. Es gibt allerdings einige Spuren, die darauf hindeuten, dass er
zumindest vor kurzem dort gewesen ist. Ich gehe gerade die Berichte nach
weiteren Indizien durch, um dann zu überlegen, welche nächsten Schritte
eingeleitet werden müssen.“
    „Das klingt
interessant“, antwortete ich.
    Nun endlich
lächelte er mich aufrichtig an. „Das ist nur eine Kleinigkeit. Eigentlich
befasse ich mich momentan mit der neuesten Prophezeiung einer Divina.“
    Divina? Davon
hatte ich noch nie gehört, was sollte das sein? Er bemerkte meinen fragenden
Gesichtsausdruck und wirkte ehrlich überrascht. „Du weißt nicht, was eine
Divina ist?!“
    Ich
schüttelte verneinend den Kopf.
    „Das gehört
zum Grundwissen, weshalb du sie eigentlich kennen solltest.“ Er seufzte und
fuhr fort. „Sie zählen in unserer Welt zu etwas ganz Besonderem, da diese Hexen
eine äußerst seltene Gabe besitzen. Sie können in die Zukunft und die
Vergangenheit sehen.“
Ich war überrascht, sie waren also so etwas wie Seherinnen?
    „Du kannst
dir sicherlich vorstellen, welch enorme Macht von dieser Gabe ausgeht. Darum
leben sie hier im Hauptquartier der Radrym, wo sie zu jeder Zeit

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