Necare (Verlangen) (German Edition)
gewesen sein, kein Wunder nach alldem, was
er durchgemacht hatte. Wenn ich ihn so ansah, war es unmöglich, mir
vorzustellen, dass dieser schwarzhaarige Kerl, dieser Dämon in ihm stecken
sollte.
Ich
streichelte ihm sanft durch sein weiches Haar und genoss die Nähe. Ich würde
nicht zulassen, dass er sich je wieder verwandelte. Er sollte um keinen Preis
den Radrym in die Hände fallen. Was die mit ihm tun würden, konnte ich mir nur
allzu gut vorstellen. Night sollte ein normales Leben führen können, was
natürlich bedeutete, dass er bald von hier fortgehen musste. Mich zerriss es
allein beim Gedanken daran, ich wusste nicht, ob ich es tatsächlich über mich
bringen würde, ihn gehen zu lassen.
Er regte sich
und hob den Kopf. Leicht verschlafen sah er sich für einen Moment um. „Sorry,
ich muss wohl eingeschlafen sein.“
„Macht nichts.
Du bist sicher sehr erschöpft.“
Er nickte.
„Ja, es war ziemlich anstrengend.“
„Dann leg
dich hin und schlaf erst mal ein bisschen.“
Ich schaltete
den Fernseher aus und stand auf. Night ging zur Türe, blieb dort nochmal stehen
und sagte: „Schlaf gut und danke nochmal, dass ich hier übernachten kann.“
„Dafür
brauchst du dich nicht zu bedanken.“
Er schenkte
mir ein letztes Mal dieses Lächeln, das ich so sehr liebte und verließ anschließend
das Zimmer. Ich schloss die Türe hinter ihm und setzte mich auf mein Bett. Ich
würde sicher eine Weile brauchen, bis ich zur Ruhe kam. Es war einfach zu viel
geschehen an diesem Tag. Ich blickte zur Wand, wohinter sein Zimmer lag. Wir
würden das alles irgendwie durchstehen. Das Wichtigste war, dass er hier bei
mir und in Sicherheit war.
Ich hatte
nicht lange geschlafen und war dennoch ausgeruht und fit am nächsten Morgen.
Ich beeilte mich, ging ins Bad, machte mich fertig und trat gerade in den Flur,
als die Türe zu Nights Zimmer aufging.
„Oh, du bist
schon wach? Hast du gut geschlafen?“, fragte ich.
„Ja, danke.
Jetzt geht es mir wieder besser.“ Er wirkte auch bei Weitem nicht mehr so
abgespannt.
„Hast du
Hunger? Es gibt sicher gleich Frühstück.“
„Ja, ich mach
mich schnell fertig.“
Ich nickte
und eilte die Treppe hinunter.
Meine Mutter
war ebenfalls wach, stand auf der Terrasse und trank eine Tasse Kaffee.
„Du bist ja
schon auf?!“, stellte sie erstaunt fest. Normalerweise war ich kein
Frühaufsteher. Wir hörten in diesem Moment die Dusche angehen und meine Mutter
sah in Richtung Treppe.
„Ich muss
schon sagen, er ist wirklich sehr nett und sieht dazu äußerst gut aus.“ Sie
grinste schief. „Aber ich wusste ja schon immer, dass du einen guten Geschmack
hast.“
„Mom!“, ächzte ich.
„Was?! Darf
ich nicht sagen, dass du einen guten Fang gemacht hast.“
„Wir sind
nicht zusammen!“
„Ist ja schon
gut“, gab sie schließlich nach. Sie ging zurück in die Küche und reichte mir
ihr Portemonnaie. „Eigentlich wollte ich noch schnell einkaufen gehen, bevor du
aufstehst. Konnte ja keiner ahnen, dass du inzwischen zu den Frühaufstehern
gehörst. Gehst du schnell? Dann mache ich uns währenddessen ein paar Waffeln.“
Ich blickte
kurz zur Treppe hinauf und rang mit mir. Ich wäre gerne bei Night geblieben,
allerdings war es zum Supermarkt nicht weit und wenn ich mich beeilte, wäre ich
sicher bald wieder hier.
„Okay“,
stimmte ich zu, schnappte mir eine Tasche und eilte los.
Es war
ungewohnt, plötzlich wieder die Straßen entlang zu gehen, die jahrelang zu
meinem Schulweg gehört hatten. Alles kam mir einerseits vertraut, aber
gleichzeitig auch fremd vor. Wie grau und eintönig hier doch alles war… War das
schon immer so gewesen? Einige Dinge, das erkannte ich sofort, hatten sich
verändert…
Irgendwie
fehlte das Gefühl, hier zuhause zu sein. Hatte ich mich in diesem einen Jahr
bereits so sehr an Necare gewöhnt?
Viele Dinge
hier lösten alte Erinnerungen in mir aus, wobei die meisten recht schön waren.
Nur je näher ich dem Supermarkt kam, desto weiter sank auch meine Laune. Der
lag nämlich nur wenige Häuser neben meiner alten Schule. Ich war wirklich froh,
von dort weg zu sein, zwar hatte ich mich mit einigen Mitschülern ganz gut
verstanden, doch der Ärger mit Kara, die ebenfalls eine Klassenkameradin von
mir gewesen war, hatte doch überwogen. Ich betrachtete das Gebäude vor mir… So
viele Jahre war ich dort ein und ausgegangen. In diesem Jahr hätte ich mein
Abitur gemacht… Ich hätte nie gedacht, dass ich mich jemals auf die
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