Necromancer - The Death of the Necromancer
also verhaftet.« Ein schneller, fast verstohlener Blick zeigte, dass sie Ronsarde gemeint hatte. Ihre Stimme war hell und unerwartet mädchenhaft angesichts ihres ernsten Gebarens.
»In der Tat, Mylady«, erwiderte der Inspektor gelassen.
Nicholas spürte ein Prickeln im Nacken. In Ile-Rien war es Brauch, dass Offiziere und Beamte bei Hof und persönliche Diener den Throninhaber nicht mit dem schwerfälligen »Eure Majestät« ansprachen, sondern mit »Mylady« oder »Mylord«. Dass Ronsarde sich dieses Privilegs erfreute, ließ darauf schließen, dass er der Krone näher stand, als es Nicholas bisher vermutet hatte.
»Das geht auf keinen Fall«, murmelte die Königin vor sich hin. Sie drehte eine Karte um und strich mit dem Daumen versonnen über die Kante. »Ich weiß, wer Sie sind.« Der nächste kurze Blick verriet, dass jetzt Nicholas der Angesprochene war. »Wirklich bedauerlich, dass Rahene Fallier Sie ohne mein Wissen hergebracht hat.«
»Bedauerlich, aber auch nicht völlig unerwartet«, warf Giarde ein.
Die Königin bedachte den Captain mit einem bösen Blick. Sie machte eine jähe Geste, als wäre ihr dieses Eingeständnis peinlich. »Politik, Sie verstehen.«
»Ich vermeide die Politik, Eure Majestät«, bemerkte Nicholas.
Zum ersten Mal schaute sie zu ihm auf, die Augen leicht
verengt. Anscheinend fürchtete sie, verspottet zu werden. Bestimmt war es keine Seltenheit, dass sich mondäne Hofdamen oder auch einige ihrer Berater über sie lustig machten, denen es ein Dorn im Auge war, einer kaum der Kindheit entwachsenen Frau dienen zu müssen. Wenn er sich richtig entsann, war sie erst vierundzwanzig. Nachdem sie sich offenbar davon überzeugt hatte, dass seine Äußerung ernst gemeint war, antwortete sie: »Klug von Ihnen.« Dann wandte sie sich wieder ihrem Spiel zu. Sorgfältig legte sie die Karte auf ihren Platz. »Es gibt tatsächlich eine Ähnlichkeit. Die Augen, glaube ich.« Wieder nahm sie eine Karte und betrachtete sie. »Ihre Mutter war wohl seit mehreren Generationen das erste frische Blut in dieser Familie.«
Sie sprach von seiner Ähnlichkeit mit dem längst verstorbenen Denzil. Nicholas verwünschte die Gabe des Malers Greanco. »Die Umstände haben sicher einiges zu ihrer Isolierung beigetragen.« Nach unmerklichem Zögern setzte er hinzu: »Eure Majestät.«
»Selbst verschuldete Umstände, könnte man wohl sagen.« Die Stimme der Königin klang trocken. Wieder streifte ihn ihr verstohlener Blick. »Als Kind habe ich Ihre Tante Celile bei einem Gartenfest der Valmontes in Gardien-on-Bannot kennengelernt.« Ihr Schaudern wirkte nicht gespielt. Anscheinend hatte sie keine gute Erinnerung an das Erlebnis. »Schreckliche Person.«
»Da sollten Sie ihr erst mal beim Abendessen gegenübersitzen.« Die Worte waren ausgesprochen, bevor sich Nicholas bremsen konnte.
Die Königin stockte, die Hand auf einer Karte. Ihr Lächeln war so kurz, dass man nicht wusste, ob man es sich nur eingebildet hatte. Dann blickte sie ihn aus großen, vollkommen
ernsten Augen an. »Ich habe das Haus aus der Ferne gesehen. Es war genauso schrecklich. Wie war es dort?«
Nicholas holte tief Luft, brachte aber kein Wort heraus. Er wusste, dass er antworten musste, aber so eine Frage hatte er nicht erwartet. Wenn er sich diese Begegnung je vorgestellt hätte, dann nie auf diese Weise. Er dachte an den verfallenen, verwelkten Prunk des Alsene-Herrenhauses, dessen Ländereien längst verschwunden waren - verkauft, um Schulden zu bezahlen, oder von der Krone eingezogen als Strafe für Denzils weit zurückliegenden Versuch, den Thron an sich zu reißen. Roland Fontainons Thron, der der Ururgroßvater dieser Frau gewesen war. Schließlich fand Nicholas seine Sprache wieder. »Zum Glück erinnere ich mich an fast gar nichts mehr.« Längst verschüttete Einzelheiten drängten an die Oberfläche. »Nach dem Tod meines Vaters ist meine Mutter mit mir nach Vienne übergesiedelt.«
Sie blinzelte, ohne dass sich ihr Ausdruck veränderte. »Sind wir miteinander verwandt?«
»Um sieben Ecken.« Er vermutete, dass sie es sehr wohl wusste und die Frage nur aufgeworfen hatte, um ihm auf den Zahn zu fühlen.
Sie lehnte sich zurück. »Nach der Charta von Alt-Vienne und Riverside und gemäß der Ratsversammlung des Markgrafen und der Barone von Viern gibt es eine Abstammungslinie, die Ihnen einen Anspruch auf den Thron einräumt.« Eine Augenbraue zuckte, doch ihr Gesicht blieb ernst. »Kann sein, dass ich Sie heiraten
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