Necromancer - The Death of the Necromancer
»Nic, wir können heute Abend nicht mehr machen. Wir brauchen einen Arzt, einen Zauberer und genügend Leute, damit wir jedes Schränkchen, jede Abstellkammer und jedes Mauseloch hier durchkämmen können. Außerdem, auch wenn du alles auf den Kopf stellst, du wirst bestimmt keine in Blut gekrakelte Nachricht finden, die lautet: ›Ich bin der Übeltäter, da und da bin ich zu finden.‹ Lass es jetzt. Am Morgen können wir mit Verstärkung zurückkommen.«
Noch einmal ließ Nicholas den Blick durch das stille Foyer und über die aufgewirbelten Staubflocken in der feuchten Luft gleiten. »Du hast recht, gehen wir.«
Sie verließen das Haus durch die Gartentür. Nicholas hatte gehofft, dass ihn die Luft draußen, die nach dem fauligen
Dunst drinnen erstaunlich klar und frisch war, wiederbeleben würde. Doch schon nach zwei Schritten musste er sich plötzlich an die Gartenmauer lehnen, um sich zu übergeben.
Als er sich wieder aufrichtete, merkte er, dass Crack schon vorausgeeilt war, wahrscheinlich um die Straße zu erkunden. Reynard hatte auf ihn gewartet und starrte mit verschränkten Armen auf das stumme Haus.
Nicholas musste sich noch immer abstützen, weil ihm die Beine zitterten. »Das ist doch völlig sinnlos. Was hat das alles mit spiritistischen Zirkeln zu tun? Du hast selbst gehört, wie er Madame Eversets Bruder nach seinem Schiff gefragt hat. Wenn es kurz zuvor aus einem parsischen Hafen ausgelaufen war, dann hatten sie bestimmt wertvolle Fracht geladen. Es liegt doch auf der Hand, dass Octave es auf diese Fracht abgesehen hatte. Er war auf verborgene Schätze aus und nicht … Aber das hier, da gibt es doch überhaupt keine Verbindung.«
Reynard fixierte ihn stirnrunzelnd. »Trotzdem hast du vermutet, dass er was mit den Vermissten zu tun hat. Zum Beispiel mit diesem Jungen, den du dir im Leichenschauhaus angeschaut hast.«
»Es gab Hinweise, denen ich nachgehen musste. Aber letztlich hab ich gedacht, dass es sich um irgendeinen Zufall handelt. Es ist einfach sinnlos.«
»Wahnsinn muss nicht unbedingt sinnvoll sein.« Reynard wandte sich vom Haus ab und ergriff Nicholas am Arm. »Komm, lass uns hier verschwinden.«
Sie fanden den wartenden Cusard weiter oben auf der Straße und stiegen in den Wagen. Nach einer kurzen geflüsterten
Erklärung von Crack stieß Cusard einen Pfiff aus. »Erinnert mich dran, wenn ich nächstes Mal jammere, dass ich nich mitgenommen werde.«
Nicholas und Reynard machten es sich auf der Ladefläche bequem, und Crack gesellte sich zu ihnen, während Cusard die schläfrigen Pferde antrieb.
Eine Zeitlang schauten sie nur schweigend auf die vorüberziehenden dunklen Häuser. Die Nacht lag schwer über dem Stadtviertel, und das Hufgeklapper war auf dem Steinpflaster besonders laut zu hören.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Crack.
Das ist das erste Mal, dass er eine solche Frage stellt. Nur schade, dass ich keine Antwort habe.
»Ganz einfach«, entgegnete Reynard. »Morgen Abend brechen wir zwei auf, schnappen uns diesen Octave und übergeben seine sterblichen Überreste dem Fluss.«
»Genau das dürfen wir auf keinen Fall tun.« Nicholas blickte Reynard eindringlich in die Augen. »Octave kann all diese Verbrechen nicht ohne Hilfe begangen haben. Es muss Komplizen geben. Da wäre zum Beispiel sein Kutscher.« Und der bereitete Nicholas noch die geringsten Sorgen. Da hatte noch jemand anders seine Hände im Spiel, jemand, der sich überhaupt nicht für Octaves spiritistische Séancen interessierte.
Reynard hielt seinem Blick gelassen stand. »Bist du sicher, dass wir noch warten können?«
Auch Nicholas sah nicht weg. »Nein. Aber selbst wenn es auch nur einen anderen gibt, müssen wir ihn aufspüren. Octave weiß zu viel über uns. Und seine Komplizen sicher auch.«
»Stimmt.« Trotz seiner sorgfältig gepflegten Draufgängerattitüde
passte Reynards moralische Einstellung eher zu dem Offizier und Gentleman, der er einmal gewesen war. Sein Instinkt lenkte ihn immer in die richtige Richtung. Nicholas’ Instinkt hingegen führte ihn meistens auf Abwege, und nur anhand der intellektuellen Kenntnis von Gut und Böse, die ihm Edouard mühsam eingetrichtert hatte, war er imstande, die meisten moralischen Entscheidungen zu begreifen. Doch irgendetwas in diesem Keller hatte ihn zutiefst getroffen. Dieser Sache musste er einen Riegel vorschieben, und das konnte er nur auf seine Weise tun.
Eine Weile blieb Reynard stumm. Die Wagenbohlen knarrten, als sich Crack
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