Necromancer - The Death of the Necromancer
nervös bewegte. Doch der Gefolgsmann äußerte keine Meinung. Schließlich seufzte Reynard. »Er muss ziemlich gerissen sein - Octave oder sein Helfershelfer -, wenn er so viele Menschen ermorden kann, ohne erwischt zu werden oder zumindest eine Panik auszulösen. Er könnte jahrelang so weitermachen.«
Nicholas starrte auf die vorbeiziehende Straße. Natürlich handelte es sich hier um Nekromantie. Octave und seine Anhänger arbeiteten mit irgendeiner Art von nekromantischer Magie. In den Tiefen seines Gedächtnisses schlummerte eine Erinnerung, die vielleicht manches erklärt hätte, wenn er sie nur zu fassen gekriegt hätte. Schließlich murmelte er geistesabwesend: »Ich glaube, irgendwo hab ich schon mal so was gesehen wie in diesem Keller.«
Selbst Crack stand die Verwunderung ins Gesicht geschrieben. Reynard prustete. »Wo? In einem Schlachthaus?«
»Nicht in natura.« Ein nachdenkliches Stirnrunzeln lag auf Nicholas’ Stirn. »In einem Buch. Ja, es war ein Bild in einem Buch. Als Kind habe ich die entsetzlichsten Dinge gelesen. In den alten Läden unten am Fluss hat mir meine
Mutter stapelweise zerfledderte Bücher gekauft. Sie fand nicht immer die Zeit, sie sich genauer anzuschauen.« Er schüttelte den Kopf. »Aber an mehr kann ich mich nicht erinnern. Ich muss in Edouards Bibliothek nachsehen - auch er hat viel fürchterliches Zeug gelesen.«
»Ganz egal, ob er ein Plagiator ist oder sich das alles selbst ausgedacht hat«, stellte Reynard grimmig fest, »Dr. Octave muss sterben.«
6
M adeline fand keinen Schlaf. Eigentlich gab es dafür keinen vernünftigen Grund, denn Nicholas hatte sich schon auf gefährlichere Abenteuer eingelassen, als bei einem Ball einen Diener zu spielen. Zumindest hoffte sie das. Für sie alle war Dr. Octave eine unbekannte Größe.
Da sich die Schlaflosigkeit nicht abschütteln ließ, schlüpfte sie in ihren Morgenmantel und setzte sich mit einem Glas verdünntem Wein und einem Buch, auf das sie sich nicht konzentrieren konnte, auf die Chaiselongue.
Octave wäre nicht der erste Zauberer, mit dem wir es zu tun bekommen , dachte sie wahrscheinlich schon zum dritten Mal, während sie mit einem gepflegten Fingernagel auf die Buchseite tippte und ins Leere starrte. Einmal waren sie sogar in das Haus eines Magiers namens Lemere eingebrochen und mussten sich dabei einen Weg durch ein verwirrendes Labyrinth von Schutzzaubern bahnen. Aber damals war Arisilde noch aktiver und ohne weiteres in der Lage gewesen, jeden Vergeltungsschlag abzuwehren. Falls Octave überhaupt ein Zauberer ist. Vielleicht war es einfach das Unberechenbare an ihm, was ihr Kopfzerbrechen bereitete.
Sie war sich nicht sicher, ob es nur gewöhnliche Nervosität war oder ein tief verschütteter innerer Sinn, der sie warnen wollte. Fast alle Frauen in ihrer Familie besaßen eine
ausgeprägte Neigung zur Hexenkunst. Madeline hatte all diese in ihr schlummernden Fähigkeiten für die Bühne aufgegeben und diesen Schritt auch nie bedauert. Ihr wahres Talent war die Schauspielerei, und die Rollen, in die sie für Nicholas’ Unternehmungen schlüpfte, waren für sie genauso aufregend wie der Part der Naiven im Elegante-Theater.
Sie schüttelte den Kopf über ihren Leichtsinn. Das Leben im Elegante war allerdings sicherer. Selbst ein Dummkopf konnte erkennen, dass Nicholas besessen war. Vornehmlich von der Idee, Montesq zu vernichten, aber im weiteren Sinne auch von dem Gedanken, andere zu täuschen. Besessen von der Rolle Donatiens in der Unterwelt von Vienne und dem damit verbundenen Nervenkitzel, Inspektor Ronsarde auf der Nase herumzutanzen. Besessen von einem Dutzend anderer Dinge, und jetzt womöglich auch noch von dem Vorhaben, Octave nachzustellen.
In letzter Zeit hatte seine Obsession immer mehr die Oberhand gewonnen. Mit einem stärkeren Hang zum Fantastischen hätte Madeline Donatien vielleicht als eigenständige Persönlichkeit wahrgenommen, die Nicholas langsam auffraß. Daraus ließe sich ein gutes Stück machen. Davne Ruis könnte Nicholas spielen. Und ich mich. Oder vielleicht seine Mutter, ja, das wäre auch eine dankbare Rolle. Aber im Grunde ihres Herzens spürte sie, dass das nicht zutraf. Im Kern und in allen wesentlichen Belangen waren Nicholas und Donatien ein und derselbe, der Rest bestand in kosmetischen Unterschieden, um außenstehende Betrachter zu täuschen. Beide wollten das Gleiche.
Andererseits war sie manchmal nicht sicher, ob sie Nicholas wirklich kannte. Vermutlich wusste
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