Necromancer - The Death of the Necromancer
schwache Licht von der Straße malte Schatten auf sein starkes Profil. »Wenn ich ans Valent House denke … Wem willst du denn so was übergeben? Einem Zauberer?«
Nicholas wusste nicht genau, warum er zögerte. »Inspektor Ronsarde natürlich. Wenn er es beinahe schafft, uns zu erwischen …«
»Dann erwischt er Octave und seine Freunde ganz bestimmt.
Natürlich. Schade, dass du ihm die Sache nicht einfach aufhalsen kannst. Ich würde zu gern sehen, was er für ein Gesicht macht.«
Das war tatsächlich schade, aber dieser Weg war Nicholas versperrt. Octave wusste zu viel über sie. Wenn Ronsarde Octave aufspürte, dann hatte er auch Donatien beziehungsweise Nicholas Valiarde, und das hieß, dass alle anderen ebenfalls aufflogen. Ungeduldig trommelte Nicholas mit den Fingern auf die lederne Fensterbank der Kalesche. Ich will, dass diese Geschichte endlich erledigt ist. Ich will mich auf Montesq konzentrieren. Wir stehen so knapp davor …
»Allerdings überrascht es mich, dass du so was sagst«, warf Reynard hin.
Nicholas runzelte die Stirn. »Warum?«
»Du hast so eine Tendenz, dich von bestimmten Dingen … regelrecht auffressen zu lassen. Bist du sicher, dass du den Plan gegen Montesq nicht aufschieben willst?«
»Was soll das heißen?«
»Wenn Montesq gehängt wird - was sicherlich ein löb - liches Ziel ist -, dann hast du keine Ausreden mehr.«
»Ich brauche keine Ausreden.« Nicholas wandte den Blick nicht vom Fenster, um die feuchte, fast leere Straße im Auge zu behalten und um sicher sein zu können, dass das immer noch Octave war, der dort aus dem Schatten ins Licht der nächsten Laterne huschte. Reynard war einer der wenigen, die sich solche Bemerkungen gegen ihn herausnahmen, aber Reynard hatte eben vor nichts Angst. Wenn sich Nicholas von manchen Dingen »regelrecht auffressen« ließ, dann machte Reynard umgekehrt den Fehler, so zu tun, als wäre ihm alles egal, bis es ihn von innen heraus
verbrannte. Nicholas war froh, dass er sich wenigstens zu seinem Feuer bekannte. »Wir tun alle, was wir tun müssen, meinst du nicht?«
Reynards Gesicht schwebte undurchdringlich im Schatten. Schließlich sagte er: »Ich mach mir bloß Sorgen um dich, das ist alles. Irgendwann überspannst du den Bogen.«
Sie erreichten eine Querstraße, die wie ausgestorben dalag. Nicholas klopfte an die Decke, damit Devis bremste.
Nachdem Octave um die Ecke gebogen war, schob Nicholas die Tür auf und stieg aus. Mit einer Geste bedeutete er Devis, hierzubleiben, wo die Kalesche zwischen den vereinzelten Kutschen und Fußgängern nicht so auffallen würde. Dann eilten er und Reynard hinaus auf die dunkle Straße.
An der Ecke angelangt, sahen sie Octave, der sich immer noch entfernte. Vorsichtig folgten sie ihm und wichen den spärlichen Lichtkreisen der flackernden Gaslaternen aus. Die Straße war völlig verlassen, und die Häuser säumten sie wie gigantische, dunkle Gräber eines Friedhofs für Riesen. Nicholas’ Sparzierstock besaß einen Degeneinsatz, und Reynard hatte für diesen nächtlichen Streifzug einen Revolver in die Manteltasche gesteckt.
Als Octave die Straße überquerte und neben einem hohen, düsteren Gebäude in einer Gasse verschwand, stoppten sie. Es war eine aufgegebene Fabrik, wuchtig und kastenförmig, aus deren flachem Dach Dutzende von hässlichen Schloten aufragten. Steinstufen führten hinauf zu einer Doppeltür aus Holz, dem Straßeneingang. Aber Octave war in die Gasse eingetaucht. »Das kann nicht sein«, knurrte Nicholas.
»Ganz deiner Meinung«, flüsterte Reynard. »Viel zu viele
Leute hier untertags. Es sind doch nur zwei Straßen bis zur Counting Row.«
»Die Fenster sind zugenagelt.« Nicholas überlegte kurz. »Aber ich glaube trotzdem nicht, dass er uns gesehen hat.«
»Vielleicht steckt doch was dahinter. Auf jeden Fall müssen wir los, sonst verlieren wir ihn noch aus den Augen.«
Wahrscheinlich. Nicholas roch eine Falle. Vielleicht sollten wir sie ganz bewusst auslösen. Sie huschten über die leere Straße. »Er hat uns vielleicht nicht bemerkt, trotzdem hat er gewusst, dass er verfolgt wird.«
»Ja, verflucht«, erwiderte Reynard. »Womöglich hat ihn irgendwer gewarnt. Dabei haben wir ihn doch die ganze Zeit beobachtet - außer natürlich, als er in seinem Hotelzimmer war. Möglicherweise wurde er durch dieses Spiegelding gewarnt, das ihr entdeckt habt. Aber wie können die von uns wissen?«
»Wenn es ein Zauberer ist - ein echter Magier und kein hirnloser Idiot wie
Weitere Kostenlose Bücher