Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
schüttelte den Kopf. »Mein Sohn, wir alle haben unsere Talente. Anna Marie, Chung, ich und du. Ganz besonders du. Nun, Ian Goodly ist auch sehr talentiert, und ich vertraue ihm ebenso sehr wie mir selbst. Wenn er sagt, ich habe hier keine unmittelbare Zukunft, dann liegt es auf der Hand, dass ich nicht hier bleiben kann. Außerdem, siehst du denn nicht, wie merkwürdig das klingt, was er sagte? Keine ›unmittelbare‹ Zukunft? Soll das heißen, es gibt eine Zukunft für Chung und mich, aber erst in einiger Zeit? Das könnte bedeuten, dass wir nach Starside gehen und dann zu einem späteren Zeitpunkt zurückkehren sollen!«
Nathan nickte. »Ich stand einmal vor dem gleichen Problem. Mir wurde die Zukunft vorhergesagt, und danach wurde mir erklärt, dass sie auf jeden Fall eintreten würde, auch wenn ich versuchen sollte, ihr zu entgehen. Die Zukunft ist wie die Vergangenheit – unveränderlich. Man kann ihr nicht entgehen, darum ist es besser, sie nicht zu kennen.«
Anna Marie hatte die innere Luke geschlossen und kauerte nun davor und lauschte. »Auf der anderen Seite stellen sie irgendetwas an. Wahrscheinlich bereiten sie weitere Sprengsätze vor. Aber diesmal wird es länger dauern. Sie müssen darauf achten, dass sie nicht die ganze Höhle zum Einsturz bringen.«
»Also, wer geht jetzt?«, fragte einer der Höhlentaucher nervös.
»Wir drei«, antwortete Trask, ohne zu zögern, warf jedoch einen fragenden Seitenblick auf Anna Marie.
»Wir vier«, sagte sie, indem sie sich aufrichtete. »Ich habe gesehen, was sie da hinten angerichtet haben. Das war kaltblütiger Mord! Wer auch immer dafür verantwortlich ist, Zeugen wird er wohl keine brauchen.«
Trask überlegte nur kurz. »Okay«, sagte er dann. »Ich wollte dich ohnehin darum bitten, mitzukommen.«
»Oh?«
»Ja. Du musst wissen, der Anführer des Rattenpacks da hinten ist Geoffrey Paxton. Wie es aussieht, ist er jetzt bei der CMI.«
»Einen Moment mal«, knurrte ein zweiter Höhlentaucher. »Ich meine, bislang waren wir ja ziemlich geduldig. Aber glauben Sie nicht, dass uns so langsam jemand darüber aufklären könnte, was, zum Teufel, hier eigentlich vorgeht? Uns hat niemand gesagt, dass wir in den Krieg ziehen! Und was diesen Kerl da angeht ...« – er starrte Nathan an – »... so, wie er einfach auftaucht und wieder verschwindet ... Scheiße, wir haben doch keine Ahnung, was hier überhaupt los ist! Alles, was wir wissen, ist, dass wir für Sie arbeiten, Mister Trask. Aber was für Geschäfte machen Sie eigentlich? Drehen Sie hier ein krummes Ding, oder was? Die CMI ist doch ein Verein, der für die Regierung arbeitet!«
»Sehen wir zu, dass wir in die Gänge kommen«, entgegnete Trask. »Unterwegs erkläre ich Ihnen alles.«
Während die Höhlentaucher ihre Ausrüstung bereitmachten, verband Anna Marie Nathan notdürftig die Schulter. Seine Wunde war eine tiefe Furche, die am festen, deutlich hervortretenden Muskel seines Oberarms entlang verlief. Sie glich eher einer Verbrennung als einem Schnitt – die Kugel hatte die Verletzung, die sie ihm zugefügt hatte, selbst ausgebrannt. Da die Wunde sich aber quer über einen Streifschuss zog, den er sich zwei Tage zuvor auf den griechischen Inseln eingefangen hatte, konnte er die Schulter nicht bewegen. Zum Glück war das alles.
Wenig später machte sich der Trupp auf den Weg, den Lauf des unterirdischen Flusses hinauf ...
*
Sie folgten dem Wasserlauf tief in ein unterirdisches Höhlensystem. Nach fünfundzwanzig Minuten standen die sieben bis zu den Knien im eiskalten Wasser, und Trask hatte eine stark gekürzte Geschichte über eine fremde Welt und die Vampirkreaturen, die dort hausten, zum Besten gegeben. Wo er sich nicht ganz sicher war, sprang Nathan ein. Des Weiteren hatte Trask die Gründe erläutert, aus denen Nathan dorthin zurückmusste – nicht allein um seine Welt zu retten, sondern womöglich auch die unsere –, und selbst seine Theorie über Paxton hatte er dargelegt: weshalb der Extelepath Nathan lebendig haben wollte ... oder tot, und sei es auch nur, um Rache an Harry Keogh zu nehmen.
Die drei Höhlentaucher waren nüchterne Leute, und zunächst schienen sie skeptisch. Doch gelegentlich funktionierte Trasks Talent in beiden Richtungen – dann erkannte nicht allein er die Wahrheit, sondern andere erkannten auch die Wahrhaftigkeit in ihm. Und dies war eine solche Gelegenheit. Nach und nach drangen sein Ton und sein ganzes Gebaren zu ihnen durch, sodass sie ihn zu Ende
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