Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
bewahrt. Und eine Zeit lang war er trotz allem, obwohl er immer mehr zum Wamphyri wurde, noch ein Mensch geblieben.
Mensch genug jedenfalls, dass er, als er eines Nachts mit Canker Canisohn zur Jagd auf die Sonnseite aufbrach, mit einer Freundin aus frühren Zeiten zurückkehrte – dem Mädchen Glina, das ihn geliebt hatte. Ah, doch darin hatte sich seine Menschlichkeit zum letzten Mal gezeigt. Denn wo waren Glina und das Kind, das sie von der Sonnseite mitgebracht hatte, jetzt?
Zahar wusste es sehr wohl, denn er war Zeuge gewesen und mehr als das. Das Kind war tot, zerschmettert bei seinem Aufprall auf die Felsen am Fuß der Wrathhöhe, und Glina von der Sonne verbrannt. Auch sie war von hoch oben herabgestürzt und ihr Leichnam in einem Spalt westlich des Großen Passes hinter Steinen eingemauert worden. All dies war zwar nicht von Nestors Hand, aber auf sein Geheiß passiert, und da war seine Verwandlung noch nicht abgeschlossen gewesen.
All dies war parallel zu seiner Affäre mit Wratha der Auferstandenen geschehen, während der sein Schritt leichter, sein Gemüt heiterer schien. Aber ihre »Liebe« war nicht minder falsch gewesen als Wratha selbst ... oder als Nestor? Wie dem auch sein mochte, sie war nicht von Dauer gewesen. Denn mittlerweile hatte Nestor seine Fähigkeiten als Nekromant entdeckt und festgestellt, dass er mit den Toten zu reden und ihre Geheimnisse aus ihnen herauszupressen vermochte. Und als er sich darüber im Klaren war, hatte seine Verwandlung eine völlig neue Richtung genommen; es war ein düsterer Nestor, der nun nächtens umging und sich wie ein Gespenst durch die labyrinthischen Gänge der Saugspitze bewegte ...
Oh, hin und wieder sahen sie einander schon, Nestor und Wratha, selbst jetzt noch, und sie teilten auch das Bett miteinander, schließlich waren sie Wamphyri und hatten so ihre Bedürfnisse. Doch ein Vampir-Lord denkt in erster Linie an sich. Er sucht Sicherheit, sorgt für seine Langlebigkeit vor. Dies war keine Zeit für Liebende, nun, wo der Wind aus dem Osten von jenseits der Großen Roten Wüste Krieg verhieß. Es gab Szgany-Blut zu vergießen, und Armeen von Untoten mussten geschaffen werden. Aye, und schon bald galt es mächtige Eindringlinge zu vernichten. So war es nun einmal: töten oder getötet werden.
Also wurden die Annehmlichkeiten dieser Verbindung hintangestellt, und das schwarz gekleidete Wesen, das nun neben Zahar auf dem Nachtwind dahinglitt, hatte herzlich wenig mit einem Menschen gemein, dafür umso mehr mit einem Vampir. Allerdings gab es darüber hinaus noch etwas anderes, was Zahar nicht ganz einzuordnen vermochte. Einen unsagbaren Schrecken? (Nestors Leutnant wagte es kaum zu denken, und was er da dachte, durfte auf keinen Fall jemand mitbekommen!) Doch ... quälte seinen nekromantischen Gebieter etwa die Furcht vor einer gewissen Krankheit?
... Zahars Blick war zu kühn! Desgleichen seine Gedanken, wie sehr er sie auch abschirmen mochte! Gefährlich kühn, aye! Er wusste es und wandte den Blick ab, zwang seinen Geist zu undurchsichtigen, sinnlosen Abschweifungen. Es war sicherer so ...
Da Nestor ohnehin die meisten von Zahars Gedanken las, wusste er, dass sein Gefolgsmann es niemals wagen würde, ihn zu belügen. Aber er wollte auf Nummer sicher gehen.
Zahar, sagte er, hör zu. In jener Nacht, als ich auf der Sonnseite abstürzte und du dachtest, ich sei für immer verloren, da hast du ihn gefangen genommen, meinen Erzfeind, und mir erzählt, er sei in ebendem Augenblick erwacht, als du ihn in das Tor warfst. Aber bist du dir auch sicher – wirklich ganz sicher –, dass er auch in dem Tor verschwunden ist?
»Ja, mein Gebieter«, und hastig fügte er hinzu: »Alles so, wie du es mir aufgetragen hattest!«
Natürlich, nickte Nestor nach einer kleinen Weile. Natürlich ... Doch nachdem Zahar sich wieder zurückfallen ließ, verspürte er erneut den inneren Aufruhr, jenen Schauder, dass da etwas war, und erkannte den Zahlenwirbel! Er war hier! Nathan ... war hier!
Es kam und ging, ein plötzlicher Ansturm aus dem Südosten, von weit jenseits des Waldes, und dann wiederum – nichts! Als habe jemand, wenn auch nur vorübergehend, eine Kerze entzündet und dann wieder gelöscht. Prompt flammte es ein zweites Mal auf, diesmal jedoch schwächer, von jenseits der Berge auf der Sternseite, sodass Nestor sich die Frage stellte: Habe ich nun einen Erzfeind? Oder sind es gar zwei? ... Oder drei? Oder spielte sich all dies nur in seinem Kopf
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