Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
Verbannung geschickt wurden die Gebrüder Drakul, Karl und Egon, deren Bosheit diejenige Shaitans noch übertraf, und noch jemand, der Shaitan schon seit Langem ein Dorn im Auge war. Denn gleich nach seiner Ankunft hatte Shaitan versucht, Wesen wie Radu Lykan seinem Willen zu unterwerfen, doch vergebens; die grauen Brüder des Grenzgebirges erkannten neben ihrem Leitwolf keinen weiteren Herrn an und zollten einzig dem silbernen Vollmond Tribut, wenn er über den Himmel jagte. Und Radu Lykan zählte zu jener Unterart der Wamphyri: Er war ein Wolf, oder vielmehr: ein Werwolf! Lord Shaitan waren diese »Hunde-Lords«, Söhne von Wölfen, ein Gräuel, und auch ohne Blutkriege hätte er einen Weg gefunden, Geschöpfe wie Radu zu beseitigen.
Eine Zeit lang herrschte also Frieden auf der Sternseite, und zwischen den Lords und Ladys der Wamphyri schwiegen die Waffen. Doch gerade weil sie Wamphyri waren, konnte dies nicht von Dauer sein. Voller Gier und Neid und stets nur auf ihr Revier und dessen Erweiterung bedacht, gerieten sie sich selbst zum Fluch. Irgendwann überwältigten sie Shaitan und stürzten ihn, und er wurde von der Sternseite in die kalten, unbewohnbaren Eislande vertrieben.
All dies ist bekannt. Diese Legenden wurden schon oft erzählt. Doch von dem, was nun kommt, hat noch niemand berichtet ...
Vielleicht waren Wölfe, nicht anders als Mensch und Bär, Fuchs, Fledermaus und andere Arten, Kreaturen beider Welten: sowohl Starsides als auch der sogenannten Höllenlande jenseits des Sternseiten-Tores. Möglicherweise entsprangen sie derselben kosmischen Keimzelle, einer universellen Ursuppe, aus der sich die Schöpfung entwickelte, sodass ähnliche Lebensformen in der Entstehungsgeschichte vieler Welten vorgezeichnet waren.
Betrachtet man die Fossilienfunde auf der Erde, kann man annehmen, dass dem so war. Doch auch mit viel Glück (Glück?) dürfte kein Paläontologe der Welt je im Leben auf etwas auch nur entfernt mit den Wamphyri der Sternseite Vergleichbares stoßen, es sei denn, er wüsste genau, wo er graben müsste. In prähistorischen Gesteinsschichten jedenfalls würde man sie nicht entdecken, denn ursprünglich war die Erde ja keineswegs die Heimat der Wamphyri. Nur durch eine Laune der Natur (das Tor auf der Sternseite, und später auch ein weiteres, durch menschliche Dummheit und Ignoranz entstandenes Tor) war es den Wamphyri gelungen, hierher vorzudringen. Ansonsten hätte es in unserer Welt zwar Wölfe der Wildnis, nicht jedoch Werwölfe gegeben.
Was nun Letztere betrifft:
Es wurde berichtet, dass Menschen und Tiere zum Trinken an die Vampirsümpfe gingen, was jedoch davon zurückkam, waren andere Kreaturen – keine Menschen mehr, bestenfalls Bestien. Bis sie begriffen, was vor sich ging, waren die grauen Brüder des Hochgebirges mit unter den ersten Opfern des Schreckens aus dem Sumpf. Hin und wieder kam es vor, dass ein kranker, mit Vampirsporen verseuchter Wolf zu seinem Rudel zurückkehrte, allerdings verändert und auf ewig verwandelt. Dann erlitt er das gleiche Schicksal wie jeder menschliche Wanderer auch, der sich zu weit vorwagte, und wurde ausgestoßen.
Fiel ein solches Tier einen Menschen an, überlebte es dieser für gewöhnlich nicht, erhob sich jedoch als Vampirsklave wieder – allerdings ohne Gebieter! Und musste wiederum vor seiner Familie und seinen Freunden fliehen, um so lange als Ausgestoßener umherzuziehen, bis ihn seine einstigen Brüder zur Strecke brachten oder die Glutsonne ihn erwischte. Er konnte aber auch das Gebirge überqueren, um in die zweifelhafte Sicherheit der Sternseite zu gelangen.
Diese Opfer unterschieden sich jedoch von den Opfern menschlicher Vampire; nicht allein, dass sie die Sonne fürchteten, nein, sie schwelgten im Licht des vollen Mondes! Denn sie hatten einiges von den grauen Brüdern an sich, die den dahinjagenden Mond anbeten. In der Regel waren sie auch irrsinnig – völlig verrückt – oder hatten sich doch zumindest nicht immer ganz unter Kontrolle. Dennoch fielen sie, obwohl sie gefährlich waren, nur allzu leicht sowohl den Menschen als auch der Sonne oder den menschenähnlichen Vampiren der Sternseite zum Opfer. Im Sprachgebrauch der Psychologen einer Welt jenseits des Sternseiten-Tores könnte man diese bemitleidenswerten Kreaturen also durchaus als Lykanthropen bezeichnen: nämlich als Verrückte, die sich für Wölfe hielten.
Es gab allerdings auch ... andere!
Paradoxerweise brachte der Vampirismus, obgleich die davon
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