Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
Menschenfresser, aye, ein Großer Vampir. Mehr noch: Er war ein Werwolf! Ein Wesen, halb Mensch, halb Wolf, ausgestattet mit dem Verstand eines Menschen und der Geschwindigkeit, dem Geschick und dem Tötungsinstinkt eines Wolfes. Und wenn verwandelte Menschen – bloße Menschen – es bis zur Sternseite schaffen konnten, wo die Sonne niemals schien, und dort Lords und Herren über große Felsenburgen wurden, dann musste es ihm, Radu, doch erst recht gelingen! Also wandte er der Sonnseite (fürs Erste jedenfalls) den Rücken, erklomm die Bergspitzen und machte sich auf zur Sternseite, dem Schicksal entgegen, das ihn dort erwartete.
Radu war von einer so monströsen Freude erfüllt – der Freude um ein düsteres Wissen, der grässlichen Vorfreude darauf, sich vom Lebenssaft anderer zu ernähren –, dass er kaum an sich halten konnte. Denn Bela Romani hatte sich geirrt, Radu war keineswegs so wie er geartet. Oh, in seinem Blut brannte das gleiche Fieber, gewiss, doch war Bela lediglich ein mit der Seuche des Vampirismus infizierter Knecht gewesen, Radu hingegen war diese Plage selbst! Vermittels seines Parasiten war er Lord Radu Lykan! Und dies wusste er.
Denn tief in seinem Innern spürte er die ersten Töne eines seltsam wilden und wunderbaren Liedes aufsteigen, eines lautlosen Liedes, das von Blut und Ewigkeit handelte und ihn erschauern ließ, als er schließlich schwer atmend durch einen hohen Gebirgspass trottete und auf die Sternseite hinabblickte.
Die Sternseite, aye! In der Ferne hoben sich vor dem Hintergrund der zuckenden Nordlichter im kalten, blauen Licht des Polarsterns unheilverkündend die von Nebelschleiern verhangenen Türme der Vampirlords ab. Die beängstigende Ödnis empfand Radu keineswegs als kalt oder unheimlich. Sie kam ihm vielmehr ... vertraut vor? Nein, mehr als das: Es war, als käme er endlich nach Hause!
Und als Radu das Gesicht zum Himmel und dem verblassenden Mond wandte und seinem überbordenden Gefühl Luft machte, war ihm, als klinge auch sein Geheul mit einem Mal anders, eher wie ein – wenn auch schrecklicher und furchtbarer – Gesang:
Wamphyri! Wamphyyyyri ...!
VIERTES KAPITEL
Als Radu von den Höhen des Grenzgebirges zur Sternseite abstieg, stieß er auf eine Handvoll armseliger, zerlumpter »Überlebender« des Überfalls der vergangenen Nacht – wie Bela Romani Männer der Szgany Mirlu, aber auch von den Szgany Tireni und den Szgany Zestos. Er sagte ihnen, wer er war und was er vorhatte: Unter den zahlreichen noch leer stehenden Felstürmen wollte er eine Stätte für sich beanspruchen und diese mit eigenen Knechten bevölkern. Zunächst wollten sie nicht so recht darauf eingehen, schließlich »gehörten« sie Hengor »Sturmwind« Hagi, Lord Lankari, den Gebrüdern Drakul oder auch dem – Lord Lagula Ferenczy!?
Was? Lagula, ein Lord der Wamphyri? Doch nicht etwa ... jener Lagula? Nun, Radu musste es abwarten. In der Zwischenzeit stellte er die vampirisierte Schar vor die Wahl: Entweder er garantierte ihnen seinen persönlichen »Schutz«, verpflichtete sie als seine Knechte und zog gemeinsam mit ihnen über die Findlingsebene ... oder aber sie konnten gleich hier in diesem kargen Vorgebirge den wahren Tod erleiden, und ihre von Armbrustbolzen durchbohrten, enthaupteten Leichname würden einfach liegen gelassen. Ohne weitere Umstände setzten sie ihren Weg mit Radu fort.
Die Wamphyri wussten bereits, dass sie kamen; riesenhafte Desmodus-Fledermäuse aus den diversen Felsenburgen beobachteten sie und erstatteten über sie Bericht. Auf jeden Fall waren sie nur ein Haufen erbärmlicher Knechte, für deren Gebieter es sich nicht lohnte, sie auf dem Rücken ihrer Bestien oder in der Bauchtasche eines Flugrochens mitzunehmen. Aber als sie auf einen der kleineren, noch unbesetzten Türme im äußeren Ring der hoch aufragenden Felsenburgen zustrebten, erregte dies doch einiges Aufsehen. Allerdings war es mittlerweile zu spät, etwas dagegen zu unternehmen, denn Radu und sein Gefolge hatten die ganze lange Sternseitennacht gebraucht, um das Gebirge und die Findlingsebene zu überqueren, und die Sonne brannte bereits auf die höher gelegenen Wehrgänge der größeren Festen hinab.
Um diese Zeit schliefen die Lords für gewöhnlich in Gemächern auf der ewig dunklen Nordseite ihrer Stätten. Keinem stand der Sinn danach, sich auf einem Flugrochen in die Luft zu erheben, nur um nachzuforschen, weshalb sich eine Handvoll neuer Knechte, denen man eingeschärft hatte, sich bei
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