Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
kann.«
Eine nachdenkliche Pause. Okay, was willst du wissen?
»Zunächst: Ist dir irgendetwas über ihre Familiengeschichte bekannt?«
Was? (Völlige Verblüffung.) Was, zum Teufel, soll ich über Familiengeschichten wissen? Ich baue Tresore, Harry! Oder vielmehr, ich tat es.
»Gibt es vielleicht irgendetwas, was du gesehen hast, als du dort warst?«
Scheiße noch mal, die haben mich dort nichts sehen lassen! Die gaben mir ein Zimmer, von dem aus ging ich zu meinem Arbeitsplatz, und von meinem Arbeitsplatz wieder zurück ins Zimmer. Oder auch zu dem Ort, an dem ich aß, aber immer allein. Und was das Gelände angeht: Es war ganz in Ordnung, wenn ich mal einen Spaziergang unternehmen wollte. Oh, und die Anlage? So ungefähr kann ich sie dir beschreiben. Auf jeden Fall kann ich dir sagen, wo sich die Schatzkammer befindet! Aber die Familiengeschichte?
»Na gut, beschäftigen wir uns mit der Anlage. Fürs Erste zumindest.«
Humph erzählte ihm alles, und der Necroscope lauschte gebannt, während er sich aus dem grellen Sonnenlicht in den Schatten der Böschung begab, wo die Serpentinenstraße aus dem massiven Felssporn herausgesprengt war.
Es war schon eine geraume Weile her, dass Humph sich im Innern der Manse Madonie aufgehalten hatte, doch seitdem hatte er an nichts anderes mehr gedacht. Zudem erfüllten Bilder direkt aus seinem toten Geist seine Beschreibung mit Leben, sodass Harry die Strecke, die Humph von seinem Zimmer zu der Stahlkammer zurücklegen musste, die er tief in den Eingeweiden der Stätte einbruchsicher errichtet hatte, regelrecht vor sich zu »sehen« vermochte, so als lege er selbst diesen Weg zurück. Ja, er bekam sogar ein Gespür für den Ort und merkte sich die Koordinaten.
»Ganz unten im gewachsenen Fels des Berges«, meinte er schließlich.
Nein, widersprach ihm Humph. Tief, aber nicht ganz unten. Darunter gab es noch weitere Geschosse. Durch Zufall gelangte ich da mal hin. Ich kann gar nicht mehr sagen, ob ich mich verirrt hatte oder einfach nur neugierig war. Letzteres wahrscheinlich – nein, mit Sicherheit. Na ja, wie dem auch sein mag, dabei stieß ich auf einen Raum mit einem Stahlgitter als Tür, das an einen Generator angeschlossen war. Das Ding stand unter Strom! Oh, yeah, das muss man sich mal vorstellen. 1938, und Le Manse Madonie verfügte über seinen eigenen Saft. Auf Sizilien war das damals schon was!
»Vielleicht handelte es sich um den alten Tresor, den deine neue Stahlkammer ersetzen sollte?«, mutmaßte Harry.
Schon möglich, aber das glaube ich nicht, entgegnete Humph düster. Da unten gab es etwas, das keiner sehen sollte ... Wirklich niemand! Na ja, eine der Wachen erwischte mich und machte mir die Hölle heiß. Dann schleppten sie mich zu Emilio Francezci, der mir den Auftrag gegeben hatte.
Flüchtig erblickte Harry das »Abbild« des Mannes in Humphs Geist – und fuhr zusammen.
Oh?, machte Humph. Ist irgendwas?
Ja, da war was, aber eindeutig. Bei dem Bild, das Harry sah, könnte es sich ohne Weiteres um eine der Fotografien handeln, die Darcy Clarke ihm vorgelegt hatte. Die Familienähnlichkeit war erstaunlich! Und nicht anders als auf den Fotos wirkte das Abbild im Geist des Toten irgendwie unscharf, verschwommen.
Ah, ich weiß, was du hast, sagte Humph. Diese Leute waren obskure Gestalten, und zwar in vielerlei Hinsicht. Im Grunde konnte ich mich nie wirklich genau daran erinnern, wie sie eigentlich aussahen. Komisch, eh? Aber kein bisschen lustig ...
Harry runzelte die Stirn, er wirkte etwas verwirrt. »Du sagst, dieser Emilio habe dich angestellt. Das ist die Einzahl! Aber du hast auch im Plural gesprochen: ›sie‹ und ›diese Leute‹.«
Emilios Bruder, erklärte Humph. Er war eine große Nummer in der Manse Madonie, ging aber nicht oft nach draußen. Jedenfalls nicht dass ich es mitbekommen hätte. Aber ich sah die beiden oft zusammen. Brüder, und zwar eindeutig, Zwillinge sogar, allerdings keine eineiigen.
Darcy hatte genau das Gleiche gesagt, allerdings über die jetzigen Besitzer der Manse Madonie, die gegenwärtige Generation der Francezcis. Und diesmal war Humph derjenige, der ihre Bilder im Geist des Necroscopen sah.
Das sind sie! , entfuhr es ihm prompt.
»Unmöglich!« Harry schüttelte den Kopf. »Das sind Francesco und Toni beziehungsweise Antonio ... die leben heute. Was du siehst, stammt von einer Fotografie, die erst kürzlich aufgenommen wurde.« Er bekam mit, wie erstaunt Humph war.
Weißt du was?, sagte der Tote, sehr
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