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Neferets Fluch ( House of Night Novelle )

Neferets Fluch ( House of Night Novelle )

Titel: Neferets Fluch ( House of Night Novelle ) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast , Kristin Cast
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hastete zu mir. »Wir können gern ein andermal wieder vorbeikommen, Emily. Bitte, die Arbeit deiner Mutter ist viel wichtiger als unser kindischer Fahrradausflug.«
    »Ja, wirklich«, hatte Evelyn hinzugefügt. Meine Freundinnen eilten zur Tür. »Wir besuchen dich bald wieder.«
    Als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, war mir, als würde ein Grab versiegelt.
    Vater ließ meinen Ellbogen los. »Ah, nun, viel besser. Schluss mit diesen Narrheiten.«
    »Kommen Sie doch mit mir in den Salon, Mrs. Armour. Ich werde uns einen Tee bringen lassen«, sagte ich.
    »Gut. Kümmere dich um diese Dinge, Emily. Wir sehen uns beim Dinner. So ist es brav«, sagte Vater schroff, verbeugte sich vor Mrs. Armour und ließ uns allein im Foyer.
    »Ich sehe schon, Sie sind eine junge Dame von herausragendem Charakter«, sagte Mrs. Armour, während ich sie steif in Mutters Salon führte. »Ich bin sicher, wir werden gut miteinander auskommen, genau wie Ihre Mutter und ich.«
    Ich nickte, stimmte ihr zu und ließ über mich ergehen, wie die alte Frau endlos darüber schwadronierte, wie wichtig es sei, dass vermögende Damen sich einträchtig dem Ziel widmeten, das Gemeinwesen durch ehrenamtliche Tätigkeit zu verbessern.
    In den folgenden Wochen wurde mir bewusst, wie ironisch es ist, dass gerade Mrs. Armour, die so viele Worte darüber machte, wie wichtig es sei, dass Frauen sich zusammenschlössen, der Grund war, weshalb ich von anderen Frauen meines Alters isoliert wurde. Denn Evelyn und Camille fragten nach diesem Morgen nie wieder an, ob ich mit ihnen Rad fahren wolle. Evelyn blieb gänzlich fort. Camille, nun, mit Camille ist es etwas anderes. Um sie als Freundin zu verlieren, wäre weit mehr nötig. Weit mehr.

    Der März verging, der April brach an. Die winterliche Kälte milderte sich zu einem Frühling, der leichte, erfrischende Regenfälle mit sich brachte. In mein Leben ist ein betäubender Rhythmus eingekehrt. Ich kümmere mich um den Haushalt. Ich versehe meinen Dienst in den scheußlichen Markthallen, speise die Armen und nicke zu dem Gerede der alten Damen um mich herum, die kein anderes Gesprächsthema kennen, als wie dringend man gerade jetzt, da wegen der Ausstellung bald die Augen der Welt auf uns ruhen würden, mit allen Mitteln daran arbeiten müsse, aus dem barbarischen Menschengetümmel namens Chicago eine moderne Stadt zu machen. Ich diniere mit Vater. Ich beobachte alles um mich herum, und ich habe so manches gelernt.
    Ich habe gelernt, Vater nicht zu unterbrechen. Während des Essens liebt er es, zu reden – zu reden, nicht sich zu unterhalten. Vater und ich unterhalten uns nicht. Er redet, und ich höre zu. Ich hatte so sehr versucht zu glauben, dass ich das Andenken meiner Mutter ehre, indem ich ihren Platz im Haushalt und beim Dinner einnehme, und zuerst gelang es mir auch. Doch bald erkannte ich, dass ich überhaupt nichts tat, außer Vater ein willkommenes Gefäß für seine ätzende Meinung über die Welt zu sein. Unser tägliches Dinner ist die Bühne für seine Monologe des Zorns und der Verachtung.
    Noch immer wässere ich insgeheim Vaters Wein. Nüchtern ist er brüsk, herrisch und rüpelhaft. Betrunken ist er zum Fürchten. Er schlägt mich nicht – das hat er noch nie getan –, doch manchmal wünschte ich mir fast, er täte es. Es wäre wenigstens ein sicheres, äußeres Zeichen dessen, wie er mich drangsaliert. Nein, Vater verbrennt mich nur mit seinem Blick. Dieser heiße, stechende Blick ist mir ein Gräuel geworden.
    Doch wie das? Oder, besser gefragt, warum? Warum ist es so, dass ich einen simplen Blick nicht mehr ertragen kann? Die Antwort darauf, so hoffe ich – so bete ich –, werden diese Seiten geben.

    Camille besuchte mich weiterhin, wenn auch immer seltener. Nicht, dass unsere Freundschaft geschwunden wäre. Keineswegs! Wenn sie und ich zusammen waren, fühlten wir uns immer noch so verbunden wie Schwestern. Das Problem war, dass wir immer weniger Gelegenheit hatten, zusammen zu sein. Da Mrs. Armour und Vater beschlossen hatten, dass ich Mutters Werk fortführen sollte, teilte ich an drei Tagen in der Woche Suppe an Verhungernde oder Kleidung an stinkende Obdachlose aus. So blieben mir nur noch zwei von den fünf Tagen, da Vater aus dem Haus war, an denen Camille mich besuchen konnte. Oder ich dem Haushalt entrinnen; doch nach und nach musste ich erkennen, dass es kein Entrinnen gab.
    Viermal versuchte ich, unser Haus zu verlassen und Camille zu besuchen, wie ich es vor

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