Nehmen Sie doch Gift darauf!
Miss
Seidlitz«, sagte Mr. Hatchik, »Sie sollten Mr. Rio auch einmal zu Wort kommen
lassen. Nachdem Sie ihn angehört haben, sind Sie vielleicht nicht mehr ganz so
verärgert .«
»Verärgert ?« Ich entblößte meine Zähne. »Ich bin nicht verärgert, Mr. Hatchik, sondern
wütend !«
Irma kehrte mit einem Tablett
voller Getränke zurück, die sie erst den Männern — Männern! — und dann mir
anbot.
»Trink einen Schluck,
Herzchen«, lächelte sie mir aufmunternd zu, dieser weibliche Judas! »Dann
fühlst du dich besser .«
»Ich fühle mich erst besser,
wenn ich die Gewißheit habe, daß du Gift genommen hast !« erwiderte ich. »Und was dich betrifft, Johnny Rio, so bist du ein... uh !... Harum ... Glik !«
Dies waren nicht etwa fremdländische Worte, sondern die Geräusche, die ich
hervorbrachte, als er mir ein Kissen in den Mund stopfte.
»Jetzt«, begann der Marquis de
Rio, Sadist und Halunke, »können wir vielleicht ohne weitere Unterbrechungen zu
unseren geschäftlichen Angel... iiik !« Auch er bediente sich keiner Fremdsprache, sondern gab
diesen Laut von sich, weil ich ihm mein Glas ins Gesicht gekippt hatte.
Er saß einige Sekunden still
da, mit einem Kopf wie eine überreife Tomate, und beruhigte sich schließlich so
weit, daß er wieder sprechen konnte.
»Falls Mavis sich ruhig verhält
und zuhört...«, er stopfte mir zum Nachdruck das Kissen etliche Zentimeter
weiter in den Rachen, »will ich die Situation kurz rekapitulieren .«
»Bitte, Mr. Rio.« Die albernen
Brillengläser funkelten förmlich vor Bewunderung. »Ich halte es für dringend
erforderlich, daß Miss Seidlitz Sie versteht .«
» Stu hat recht«, sagte Irma selbstgefällig. Sie ließ sich auf seinem Knie nieder und
zauste in seinen Haaren, was ihn einem kurzsichtigen Chihuahua noch ähnlicher
machte als sonst. »Du mußt dir das anhören, Mavis !«
Mit dem Kissen im Schlund blieb
mir keine andere Wahl als zuzuhören. Also nickte ich zögernd, und der Marquis
de Rio legte großzügigerweise das Kissen beiseite.
»Okay«, sagte ich noch etwas
erstickt, »aber da mußt du dir schon etwas Besonderes einfallen lassen !«
»Wie Sie bereits wissen«,
begann Johnny, wobei er mich völlig ignorierte, »handelt es sich um eine streng
vertrauliche Angelegenheit. Sogar die Entscheidung, ob ich Sie, meinen
Klienten«, er nickte zu Hatchik hinüber, »davon in Kenntnis setzen sollte, hat
mich in Gewissenskonflikte gestürzt. Aber ich bin zu dem Schluß gekommen, daß
diese Indiskretion nicht nur vertretbar, sondern sogar notwendig ist, um das
Vertrauensverhältnis zu unseren Klienten, auf das meine Agentur immer besonders
stolz gewesen ist, aufrechtzuerhalten .«
»Er meint die Art von Verhältnis,
bei dem ich die ganze Arbeit tue, während er herumsitzt und große Bogen spuckt !« warf ich dazwischen. »Aber falls Sie...« Ich unterbrach
mich schnell, weil ich das Kissen wieder auf mich zukommen sah. »Ich meine«,
schluckte ich, »sprich doch weiter Johnny, worauf wartest du ?«
Er funkelte mich kurz an, dann
konzentrierte er sich wieder auf Hatchik.
» Heute
nachmittag «, fuhr er nüchtern fort, »kam ein Besucher in mein Büro, der
sich mit mir über den Klub Berlin unterhalten wollte. Ein ganz besonderer
Besucher — von der CIA.« Johnny machte eine kurze Pause, um seine Worte besser
wirken zu lassen. »Er berichtete mir, er sei informiert, daß ein Klient mich
beauftragt habe, eine Tänzerin zu beschützen, die in dem Klub auftrete, und daß
ich zu diesem Zweck eine weibliche Mitarbeiterin eingeschleust habe. Sodann
erkundigte er sich ohne Umschweife, warum Irma eigentlich eines solchen
Schutzes bedürfe. Ich hielt diese Frage für durchaus berechtigt, sonst hätte er
sich mir gegenüber wohl kaum zu erkennen gegeben, und so erzählte ich ihm von
den Gesprächen, die Irma mitangehört hatte, und von den betreffenden Personen .«
»Johnny«, sagte ich, »bis
Weihnachten sind es nur noch achtundneunzig Einkaufstage. Warum kommst du nicht
endlich zur Sache ?«
»Dann vertraute er mir an, daß
bereits ein Geheimagent im Klub arbeite«, sprach Johny weiter, »und bestätigte,
daß sich Irma auf Grund der mitangehörten Gespräche tatsächlich in großer
Gefahr befände. >Der Stamm< sei der Deckname des gerissensten Spions, der in Amerika tätig sei, und falls die CIA diesen Mann unschädlich
machen könne, würde Washington das ebenso hoch werten, wie die Vernichtung
einer ganzen feindlichen Infanteriedivision.«
»Washington
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