Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
und ein bisschen stammelnd verabschiedete sie sich.
»Das, Hilda, war der Grund, warum ich mich mit den Gossenkindern gemein mache. Man muss sein Ohr am Maul des Volkes haben.«
»Unser Hauspfaff. Ich glaub es nicht, Frau Alyss.«
»Ich schon.«
Und es ergab sich daraus eine ganz neue Sicht auf verschiedene Dinge.
33. Kapitel
S chon in aller Herrgottsfrühe stand Aldenhoven vor Alyss’ Tür, und als er die Botschaft hörte, dass sein Sohn entdeckt worden war, wollte er, genau wie sie es befürchtet hatte, mit einer Truppe gewappneter Mannen über den armen Kappesbauern herfallen. Es gelang ihr mit vielen beschwichtigenden Worten, in ihm ein gewisses Verständnis für die Situation zu wecken, und so zogen dann sie, Tilo, Frieder, Frau Greta und der Buntwörter gen Eigelstein. Das kleine Anwesen
des Bauern war schnell gefunden. Inmitten von halb abgeernteten Kohlfeldern stand das Häuschen, ein bisschen windschief das Fachwerk, mit Stroh gedeckt das Dach. Ein Gemüsebeet, ein Hühnerhof, ein mageres Eselchen zeugten davon, dass man sein Leben fristete, doch nicht zu Wohlstand gekommen war. Über dem Kamin stand eine graue Rauchwolke, doch weder auf dem Feld noch im Hof zeigten sich die Besitzer.
Alyss hielt noch einmal Aldenhoven zurück, der am liebsten sofort in das Haus gestürmt wäre.
»Wir müssen zuerst die Schlupflöcher verschließen, Meister Niclas. Euer Sohn soll Euch doch nicht noch einmal entwischen.«
»Aber er wird doch zu seiner Mutter zurückwollen«, schluchzte Greta auf.
Alyss hatte zwar Mitgefühl für die Frau, aber es machte sie ungeduldig, wie wenig sie den kleinen Tunichtgut einzuschätzen wusste.
»Sicher, Frau Greta, dennoch sollten wir vorsichtig sein. Er hat ein eigenwilliges Köpfchen. Tilo, die hinteren Fenster, Frieder, geh ums Haus und schau, ob es noch eine Tür gibt. Ich halte die Vordertür im Blick. Ihr, Meister Niclas, geht mit Eurer Frau hinein. Aber ich warnte Euch schon – man wird Euch nicht glauben, dass Ihr die leiblichen Eltern seid und ein Anrecht auf Kilian habt.«
Und genau wie sie es vorhergesagt hatte, traf es auch ein. Drinnen erhob sich ein gewaltiges Gezeter, von dem sie nur die Hälfte verstand. Es rumorte und schepperte, Männerstimmen erhoben sich zum Gebrüll, Weiberstimmen zum Gekreische. Kilian hatte gute Arbeit geleistet. Sie erwartete jeden
Moment, dass der Bengel wie eine Kanonenkugel durch die Tür geschossen kam, doch es rührte sich nichts.
Plötzlich ein protestierender Schrei, ein durchdringendes Heulen.
Und dann kam Frieder um die Hausecke getrabt, Kilian wie einen jungen Hund im Nacken an der Pelzgugel gefasst.
»Nein, nein, ich will nicht wieder zu Frau Alyss. Nein, das darfst du nicht! Nein, nein, ich will nicht wieder zu dem Höllenhahn. Der pikt mich und will meine Seele fressen.«
»Aha, da hat dir also doch jemand die Furcht Gottes gelehrt«, stellte Alyss fest und nahm den Jungen in einen festen Griff. Er wand sich und drehte sich und wäre ihr fast entschlüpft, wäre ihr Tilo nicht zu Hilfe geeilt.
»Wir werden ihn in Stricke binden müssen, diesen Teufelsbraten!«
Zu zweit bändigten sie den tobenden Jungen, und Frieder, ganz mutig, trat zwischen die Streitenden im Haus.
»Meister Aldenhoven!«, schrie er mit sich fast überschlagender Stimme in das Gezänk hinein. »Wir haben Euren Sohn!«
Der Kappesbauer ging auf Frieder los, aber der Buntwörter versetzte ihm einen Faustschlag in den dürren Leib, sodass der arme Mann einknickte. Dann rannte er auf Alyss zu.
»Kilian!«, donnerte er.
»Papa, ich geh nicht zu der bösen Frau Alyss zurück. Nie wieder.«
»Kilian?«
Meister Niclas kniete vor seinem Sohn nieder und streckte seine Arme aus.
»Nein, mein Kleiner, das brauchst du nicht. Aber zu Mama und mir kommst du wieder zurück.«
Kilian hatte aufgehört zu zappeln und schien diese Bitte zu prüfen. Ob wohlwollend, das konnte bezweifelt werden.
»Hier ist’s aber auch schön«, sagte er dann trotzig. »Die Frau Dora lässt mich auf dem Esel reiten. Und es gibt lecker Kraut.«
Jetzt kam auch seine Mutter dazu und kniete ebenfalls auf dem feuchten Lehm vor ihrem Sohn nieder. Alyss ließ ihn los. Was immer nun passierte, war nicht mehr ihre Verantwortung. Sie sah zu den beiden Bauersleuten hin, die nun stumm und still in der Tür standen und die Szene beobachteten. Der Frau liefen die Tränen über das Gesicht.
Sie ging zu ihr hin und sagte mit sanfter Stimme: »Ein Kind zu verlieren tut weh, Dora. Ich weiß
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